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Lange Bank: Mit 15 Spielern ist Alba Berlin beim BBL-Finalturnier in München dabei.

©  BBL-Foto/Imago

Vor dem Spiel gegen Vechta: Alba Berlins tiefer Kader könnte zum großen Trumpf werden

Die Zwangspause hat für viel Bewegung in den Kadern der BBL-Teams gesorgt. Beim Finalturnier profitieren nun die großen Klubs – auch Alba Berlin.

In den vergangenen Tagen ist Johannes Thiemann zu so etwas wie dem Medienbeauftragten bei Alba Berlin aufgestiegen. Auf allen Kanälen ist der 26-jährige Nationalspieler derzeit präsent.

Für seinen Klub beantwortet Thiemann im Netz geduldig die Fragen der Fans („Im Zimmer neben mir wohnt Niels Giffey“), für den Deutschen Basketball-Bund meldet er sich auf Instagram zu Wort („Lorenz Brenneke hat mich an der Tischtennisplatte abgezogen“), beim Streamingdienst Magentasport ist er nach den Spielen gerne als Interviewpartner gesehen („Wir werden uns von Spiel zu Spiel steigern“), und am Freitag setzte ihn nun auch die Basketball-Bundesliga (BBL) für die tägliche Pressekonferenz vors Mikrofon („Noch kein Lagerkoller, aber fragt mich vielleicht in zwei Wochen noch mal“).

Alba Berlin ist mit 15 Spielern beim BBL-Finalturnier in München

Natürlich ist Thiemann bei Alba auch nach wie vor als Energizer auf dem Parkett gefragt. Doch sein kommunikativer Einsatz vor den Kameras dieser Welt wird bei den Berlinern derzeit sicherlich ebenso goutiert, denn: Einer muss es ja gerade machen.

Mit jeweils 22 Personen durften die zehn Klubs, die in diesen Tagen am Finalturnier der BBL in München teilnehmen, in das zugehörige Quarantäne-Hotel einchecken. Wer diese 22 Personen sind, war jedoch nicht vorgeschrieben. Einzige Voraussetzung: Mindestens zehn Spieler.

Und während andere Teams zusätzlich zu ihren Profis nun auch noch ihre halbe PR-Abteilung mit in die Blase geschickt haben, um aus dem Turniergeschehen ein Social-Media-Happening mit Ausschlägen in Richtung Reality-TV zu machen, konzentrieren sich die Berliner ganz alte Schule auf das Sportliche: 15 Plätze im Alba-Tross sind an Spieler vergeben, dazu kommen das fünfköpfige Trainerteam um Chefcoach Aito Garcia Reneses sowie zwei Betreuer.

Während sich die Rollenverteilung in Sachen Öffentlichkeitsarbeit durch Thiemanns Dienste offenbar recht einfach ergeben hat, bedeutet der große Spielerkader für Trainer Reneses die vielzitierte Qual der Wahl. Zwölf Namen darf er bei jeder Begegnung auf den Spielbogen schreiben, drei seiner Profis müssen also jedes Mal von draußen zuschauen. „Es ist schwierig, gerade durch die ausländischen Spieler“, sagt Reneses. Denn maximal sechs Importprofis dürfen sich unter diesen zwölf Namen befinden.

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Nun hat Alba jedoch gleich neun Spieler ohne einen deutschen Pass im Kader. Der serbische Spielmacher Stefan Peno dürfte zwar nach langer Verletzungspause wie auch der junge kroatische Center Kresimir Nikic mit keinen allzu hohen eigenen Ansprüchen an Einsatzminuten in das Turnier gegangen sein.

Für den NBA-erfahrenen US-Profi Tyler Cavanaugh, der die ersten beiden Spiele der Berliner nur in zivil verfolgen durfte, sieht das jedoch anders aus. „Natürlich ist das eine schwierige Situation für die Spieler, die nicht spielen“, sagt Thiemann, der seinen Platz als einer der sechs deutschen Profis im Team sicher hat. „Aber auch so haben wir eine gute Teamchemie.“

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Und so könnte sich Albas größerer Kader in den kommenden Wochen noch auszahlen. Denn die Berliner Tiefe verschafft Coach Reneses nicht nur taktische Variabilität, sondern versetzt ihn bei einem dreiwöchigen Turnier mit Spielen im Rhythmus von zwei bis drei Tagen auch in die Lage, personell zu rotieren und im Fall von Verletzungen nachzulegen.

Alba Berlins Gegner Vechta erfüllt gerade so die Mindestanforderungen der BBL

Welchen Vorteil das bedeutet, hat sich schon an den ersten Turniertagen gezeigt. Crailsheim etwa, das große Überraschungsteam der bisherigen Saison, tritt nach den Absprüngen einiger Leistungsträger vor dem Turnier und weiteren Verletzungen in den letzten Tagen nur noch mit einem extrem geschrumpften Team an. Bei der Niederlage am Mittwoch gegen Ulm hatte Trainer Tuomas Iisalo nur noch neun Spieler zur Verfügung.

Auch Göttingens Coach Johan Roijakkers bekam am Mittwoch gegen Oldenburg nur noch zehn Spieler zusammengekratzt. Und Vechta, Albas Gegner am Samstagabend (20.30 Uhr/Magentasport), hatte schon von vornherein nur zehn Spieler mit nach München genommen und damit gerade so die Mindestanforderungen der BBL erfüllt. Dass sich alle drei Teams nun schwertun, ist also kein großes Wunder.

Mitten durch: Martin Hermannsson und Alba Berlin nehmen Kurs aufs Viertelfinale des BBL-Finalturniers.
Mitten durch: Martin Hermannsson und Alba Berlin nehmen Kurs aufs Viertelfinale des BBL-Finalturniers.

© Tilo Wiedensohler/dpa

Die personelle Fluktuation während der Zwangspause hat auch die finanziellen Verhältnisse in der Liga noch einmal deutlich werden lassen: Wer es sich wie die großen Teams aus München, Oldenburg oder eben Berlin leisten konnte, auch in der spielfreien Zeit die meisten Schlüsselspieler in den Verträgen zu halten oder bei Abgängen stark nachzulegen, ist jetzt klar im Vorteil. Nun trumpfen etwa die Ulmer auf, die mit 16 Spielern nicht nur den größten Kader des Turniers stellen, sondern mit Thomas Klepeisz (Braunschweig) und Dylan Osetkowski (Göttingen) auch zwei Topspieler der Liga nachverpflichten konnten.

Alba ist sogar in der luxuriösen Lage, mit Tim Schneider und Makai Mason auf zwei Spieler aus gesundheitlichen bzw. persönlichen Gründen zu verzichten und die beiden deutschen Kaderplätze mit Lorenz Brenneke und Malte Delow durch zwei Nachwuchsspieler zu besetzen.

Alba Berlins Vorrundenspiele beim BBL-Finalturnier

  • Sonntag, 07. Juni: Frankfurt – Alba Berlin 72:81
  • Dienstag, 09. Juni: Alba Berlin – Bamberg 98:91
  • Samstag, 13. Juni: Vechta – Alba Berlin (20.30 Uhr)
  • Montag, 15. Juni: Alba Berlin – Ludwigsburg (20.30 Uhr)

Das Team durch Nachverpflichtungen noch weiter zu vergrößern, war bei den Berlinern in dieser Lage keine wirkliche Option. „Ich glaube, das ist die richtige Entscheidung für uns, weil wir ein sehr gutes Team waren über die Saison“, erklärte Aufbauspieler Jonas Mattisseck unter der Woche. „Da wollte man jetzt nicht versuchen, irgendwen dazuzuholen, wo man nicht weiß, ob das jetzt sofort funktioniert oder nicht.“

Warum also die Teamhierarchie durcheinanderwirbeln, wenn sowieso schon viel Tiefe im Kader vorhanden ist? Egal, welche zwölf Berliner am Samstag gegen zehn Vechtaer auf dem Parkett der Münchner Arena stehen werden, Alba ist schließlich der klare Favorit. Mit dem dritten Sieg im dritten Spiel hätte das Team am Montag zum Abschluss der Vorrunde ein echtes Duell um den Gruppensieg mit Ludwigsburg.

Das weiß natürlich auch Johannes Thiemann. Trotzdem hält er den Ball flach: „Ich glaube, es ist ein Vorteil“, sagt er über Albas längere Rotation. „Aber gerade in diesem Turniermodus kann so viel passieren. Da darf man nicht sagen: Wir haben einen tieferen Kader und schlagen Vechta auf jeden Fall.“ Einfach ein abgekochter Medienprofi, dieser Thiemann.

Leonard Brandbeck

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