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Diese drei Spieler wollen heute zum Weltfußballer gewählt werden.

© afp

Wahl zum Weltfußballer des Jahres: Titel oder Tore oder was?

Heute wird der Weltfußballer des Jahres gekürt. Mit dem "goldenen Ball" könnten Lionel Messi, Cristiano Ronaldo oder Franck Ribéry geehrt werden. Selten wurde dabei so kontrovers diskutiert – welche Kriterien gelten überhaupt?

Ende Oktober vergangenen Jahres bekam die Oxford Union Society Besuch von der Fifa. Sepp Blatter, der Weltfußballpräsident, gefiel sich im schlichten Schabernack vor den Elite-Studenten. Nachdem der Schweizer den vierfachen Weltfußballer Lionel Messi (2009 bis 2012) als einen „guten Jungen“ bezeichnete, den jeder Vater und jede Mutter gern bei sich zu Hause hätte, weil dieser Fußball spiele, „als würde er tanzen”, parodierte er Cristiano Ronaldo. Der Portugiese trete auf dem Spielfeld „wie ein Feldherr“ auf. Dazu stieg der 77-Jährige aus seinem Sessel und suchte den roboterhaften Gang Ronaldos zu imitieren. „Ich mag beide, ziehe aber Messi vor“, sagte Blatter und setzte sich.

Wenn am heutigen Montag im Kongresshaus zu Zürich der Ballon d’Or vergeben wird, der Goldene Ball für den besten Fußballer der Welt, dann werden Blatter vermutlich die Lacher von Oxford im Ohr klingen. Alles andere als eine Wahl Cristiano Ronaldos zum Weltfußballer des Jahres 2013 wäre für die internationale Fußballwelt eine Überraschung. Das aber wiederum dürfte die Altvorderen des FC Bayern in Rage bringen. Seit Wochen versuchen sie ihren Spieler, den Franzosen Franck Ribéry, in Stellung zu bringen für die wichtigste Individualauszeichung im Fußball. „Wenn Ribéry nicht Weltfußballer wird, ist das eine Riesensauerei!“, sagte Uli Hoeneß unlängst.

Selten stand eine Wahl zum Weltfußballer derart im Fokus der Öffentlichkeit wie diese. Das hat einmal mit Blatters krudem Auftritt zu tun. Aber zumindest in Deutschland auch mit der Tatsache, dass erstmals ein Spieler aus der Bundesliga chancenreich im Rennen liegt. Bisher wurden ausschließlich Spieler gewählt, die zum Zeitpunkt der Wahl entweder in Italien, Spanien oder England aktiv waren. Der einzige deutsche Gewinner bisher, Lothar Matthäus, stand 1991 bei Inter Mailand unter Vertrag.

Tatsächlich hat Ribéry im zurückliegenden Jahr ganz persönlich starke Leistungen gezeigt und mit dem FC Bayern alle Titel gewonnen, die der Klubfußball hergibt. Davon träumten Cristiano Ronaldo und Messi im vergangenen Jahr. Und doch gehört wenig Vorstellungskraft dazu, gerade den Portugiesen den Wahlsieg zuzutrauen. Nicht nur, weil er einfach mal an der Reihe wäre, nachdem er zuletzt zweimal in Folge hinter Messi Zweiter geworden ist.

Die Gründe hierfür liegen nicht nur auf dem Rasen. Zum einen gibt es die von der Fifa auf Blatters Geheiß kurzerhand verlängerte Frist der Stimmabgabe. Bekanntlich entscheiden seit 2010 die Kapitäne und Cheftrainer der Nationalmannschaften sowie von der französischen Fußball-Fachzeitschrift „France Football“ ausgewählte internationale Medienvertreter über den Weltfußballer. Blatter argumentierte, bis zum eigentlichen Stichtag seien zu wenige Stimmzettel eingegangen. Deshalb wurde die Frist um zwei Wochen (15. auf 29. November) verlängert – in denen Ronaldo in den WM-Play-offs gegen Schweden vier Tore für Portugal schoss. „Ich habe das Gefühl, es werden Spielereien mit dieser Wahl gemacht. Dafür habe ich kein Verständnis“, wetterte Hoeneß daraufhin. In München wollen sie hierin ein Versöhnungsangebot von Blatter für seinen Auftritt in Oxford an Cristiano Ronaldo sehen. Doch spielt das am Ende eine Rolle?

Cristiano Ronaldo hat ein fantastisches Jahr gespielt, ein noch besseres als 2008, als er das erste und bislang letzte Mal gewählt worden war. Er hat in den wichtigen Wettbewerben, der nationalen Meisterschaft und der Champions League, in 44 Spielen 53 Tore erzielt. Messi (34 Spiele/37 Tore) und Ribéry (39/15) reichen da nicht ran. Zudem hat Ronaldo anders als der Argentinier und der Franzose als Kapitän seiner Nationalmannschaft erneut Führungsqualitäten nachgewiesen und sich ausgesprochen mannschaftsdienlich gezeigt.

Um das Abstimmungsverhalten zu verstehen, muss man noch einmal zurück zu den Ursprüngen dieser Wahl. Der Goldene Ball wird in dieser Form erst zum vierten Male verliehen. Im Prinzip ist er eine Verschmelzung aus zwei Auszeichnungen: der Fifa-Weltfußballerwahl der alten Prägung und dem prestigeträchtigen Ballon d’Or, vergeben von der „France Football“. Letzterer war ein von 1956 bis 2009 jährlich vergebener Preis an die besten Fußballspieler des jeweiligen Kalenderjahres. Das war eine Auszeichnung, die auch unter dem Namen Europas Fußballer des Jahres bekannt wurde, weil sie ursprünglich nur für europäische Spieler von europäischen Vereinen vorgesehen war. Nachdem aber ab 2007 alle Spieler weltweit gewählt werden konnten, repräsentierte die Auszeichnung ebenfalls den Weltfußballer des Jahres.

Der größte Unterschied zwischen beiden Preisen war das System der Stimmabgabe. Während die Fifa ihren Weltfußballer ausschließlich von den Kapitänen und Trainern der Nationalmannschaften ihrer Mitgliedsländer bestimmen ließ, wurde der Goldene Ball von 53 europäischen Sportjournalisten sowie der gleichen Anzahl an Juroren außereuropäischer Verbände ermittelt.

Geblieben sind die alten Kontroversen, die eine solche Wahl begleiten. Es bleibt generell schwierig, in einer Mannschaftssportart den besten Einzelspieler zu küren. Die Kriterien sind schwimmend und oft subjektiv eingefärbt. Schon die erste Preisverleihung des verschmolzenen Titels an Lionel Messi (2010) wurde im Anschluss hitzig diskutiert. Der Argentinier (schon 2009 Weltfußballer) war zwar die überragende Offensivkraft und der erfolgreichste Torschütze 2010, doch Argentinien scheiterte bei der Weltmeisterschaft in Südafrika nach schwachen Auftritten kläglich. Bis dahin wurde in den Jahren der Weltmeisterschaften stets ein Spieler zum Weltfußballer gewählt, der mit seiner Mannschaft den WM-Titel gewann. Spieler wie Xavi oder Andres Iniesta gingen 2010 leer aus, obgleich sie ebenfalls fantastische Leistungen boten und mit Spanien den WM-Titel gewannen. Was zählt also mehr: Tore oder Titel?

Im Artikel 2 der Vergabebestimmungen heißt es dazu nur: „Grundlage sind die einzelnen Leistungen ungeachtet von Titeln und Nationalität.“ Aber grundsätzlich haben es Stürmer seit jeher leichter, ihretwegen geht man für gewöhnlich ins Stadion. Der Italiener Fabio Cannavaro war 2006 der einzige Abwehrspieler, der diesen Preis gewonnen hat – übrigens auch als Kapitän der Weltmeistermannschaft. Natürlich wird noch heute ein großer Titel, ob der der Champions League, einer EM oder der WM, keinen der Stimmberechtigten kaltlassen, aber Titelgewinne haben eben auch viele Väter. Vor allem die aktuellen Titel des FC Bayern. Das könnte Ribérys Chancen sinken lassen. Zudem fehlt ihm die weltweite Strahlkraft eines Cristiano Ronaldo oder eines Messi, dessen Tun in Südamerika, in Afrika und vor allem in Asien weit präsenter ist als die von Bundesligastars. Und: Die Stimmen aus Europa (die Uefa hat 54 Mitglieder) machen etwa ein Viertel des Gesamtergebnisses aus. Die Fifa hat 209 Mitgliedsländer.

Neulich hat Urs Siegenthaler, noch ein Schweizer, ein klares Plädoyer gehalten für Cristiano Ronaldo. Er wisse, dass das mitunter gockelhafte Gehabe des Portugiesen auf dem Rasen nicht auf große Gegenliebe stößt. „Ich finde, er wird falsch eingeschätzt“, sagte der international geschätzte Chefscout der deutschen Nationalmannschaft. Aktuelle und ehemalige Mitspieler würden nur Positives über Ronaldo berichten. „Cristiano Ronaldo gilt als ungeheuer fleißig, konsequent und pünktlich. Er ist sehr geordnet in seinem gesamten Auftreten.“ Für ihn sei er jedenfalls nicht der Showman, wie er in der Öffentlichkeit gesehen werde. „Wenn einer so gute Laufwege kennt und technisch auf höchstem Niveau Fußball spielt, dann erklärt sich das nicht nur über das Talent. Üben, üben, üben macht den Weltklassespieler.“

Das all das muss noch nicht der Ende aller Träume Franck Ribérys sein. Er ist und bleibt ein herausragender Spieler, der im vorigen August nicht umsonst zu Europas Fußballer des Jahres gewählt worden ist. Und die Bundesliga ist und bleibt eine starke und gesunde Marke – ob mit oder ohne aktuellen Weltfußballer.

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