zum Hauptinhalt

Sport: Warten auf Lahm

Kaum Alternativen für den verletzten Verteidiger

Joachim Löw, den alle nur Jogi nennen, ist ein umgänglicher Mensch. Und da der Assistent von Bundestrainer Jürgen Klinsmann wenige Wochen vor der WM der Einflüsterer der Nation ist, macht sich seine Umgänglichkeit gut. Für die vielen Fotografen, die die Nationalelf beim Trainingslager in Pula auf Sardinien begleiten, hockt er sich auf eine rostige sardische Kriegskanone, die seinerzeit die Insel vor Eindringlingen schützte. Ein gewisser Zusammenhang besteht zwischen dem Motiv und der Nachricht, die Löw mitbringt. Der linke Außenverteidiger Philipp Lahm muss operiert werden. „Der Spieler ist für uns fast unverzichtbar“, sagt Löw mit belegter Stimme. Lahm galt für die WM als gesetzt. Er sollte mithelfen, den deutschen Strafraum vor Eindringlingen zu schützen.

Die sportliche Leitung der deutschen Mannschaft ist noch immer benommen von dem Zwischenfall, der sich kurz vor dem Abflug des Teams nach Italien ereignet hatte. Der Abwehrspieler des FC Bayern war in Mannheim bei einem folkloristischen Kick gegen Verbandsligist FSV Luckenwalde unglücklich auf seinen linken Arm gefallen und hatte Teilabrisse an Band und Sehne erlitten. Gestern wurde er in München operiert, heute soll Lahm die Klinik verlassen. Am Sonntag, wenn es zum eigentlichen Trainingslager nach Genf geht, soll er wieder dazustoßen. Löw erzählt das emotionsfrei. Am Abend zuvor hatte bei ihm und Klinsmann noch „Wut“ vorgeherrscht. „Wir waren relativ niedergeschlagen und nachdenklich“, sagt Löw. „Ein Knochenbruch wäre das WM-Aus für ihn gewesen.“ In drei Wochen steht das Eröffnungsspiel gegen Costa Rica an. Löw glaubt: „Es ist möglich, dass Philipp das schafft.“ In 14 Tagen soll Lahm wieder mit dem Team trainieren.

Dennoch hätte der Start in die Vorbereitungsphase nicht viel schlechter ausfallen können. Lahms Ausfall würde die Mannschaft schwächen, er ist eine feste Größe auf der linken Abwehrseite. Für Lahm ist die Verletzung ein weiterer Rückschlag, nachdem er schon 2005 wegen eines Fußbruchs und eines Kreuzbandrisses im Knie fast das gesamte Jahr pausieren musste. Erst beim Länderspiel im März in Florenz hatte Lahm, der bei der EM 2004 in Portugal die positive Entdeckung war, nach 14 Monaten Pause sein Länderspiel-Comeback gefeiert. „Mit ihm hatten wir das Gefühl der Sicherheit auf dieser Position“, sagt Löw.

Von einer Nachnominierung wollen Klinsmann und Löw vorerst absehen. Aus dem WM-Kader stünde Marcell Jansen für die vakante Position zur Verfügung. Der Mönchengladbacher habe einen „Leistungssprung gemacht“, wie Löw sagt. Überzeugend klingt das nicht. Vermutlich auch deshalb, weil die Zusammenstellung der 23 WM-Spieler durchaus widersprüchlich ist, beziehungsweise Schwächen aufzeigt. Ein Beispiel: Durch den Verzicht auf Bremens Owomoyela, der auf der rechten Außenbahn Arne Friedrich hätte ersetzen können, galt der Rechtsfuß Lahm in den jüngsten Überlegungen des Trainergespanns als Alternative für Friedrich. Jetzt wäre auch diese Position vakant. Zudem reisten in Christoph Metzelder und Sebastian Kehl (beide Dortmund) schon zwei angeschlagene Spieler an, mit deren voller Belastbarkeit frühestens ab Mitte kommender Woche zu rechnen ist. Dieses Risiko waren Klinsmann und Löw sehenden Auges eingegangen, allerdings verbunden mit der Hoffnung, dass nichts Weiteres passiert. „Wir sind nicht glücklich, dass wir jetzt drei angeschlagene Spieler haben“, sagt Löw. Taktische Konsequenzen aber, also ein Umstellen von Vierer- auf Dreierabwehrkette, schließt Löw aus. Das würde nämlich einen Umbau des Mittelfeldes nach sich ziehen – aber gerade dieser Mannschaftsteil gilt als das noch am besten funktionierende Gebilde in der deutschen Elf.

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false