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Sport: Wellness im Verein

Wie sich Turnklubs gegen kommerzielle Fitnessstudios durchsetzen wollen

Berlin - In der Messehalle 15 steht die Lebensversicherung vieler Turnvereine. Man könnte auch sagen, es ist die Angriffserklärung der Vereine auf die Fitnessstudios. In Halle 15 befindet sich ein Musterstudio, bestehend aus modernsten Laufbändern, Fahrrädern und Kräftigungsgeräten. Ein amerikanischer Hersteller hat es aufgebaut, und täglich kommen beim Internationalen Deutschen Turnfest Vereinspräsidenten, Klubgeschäftsführer oder einfach neugierige Mitglieder vorbei und schauen sich das Gegenmodell zu den Fitnessstudios an.

Mehr als 300 Turnvereine haben sich schon ein eigenes Fitnessstudio eingerichtet – das ist noch nicht allzu viel im Vergleich zu 5700 kommerziellen Studios. Aber die Zahl steigt und zeigt die gewachsene Flexibilität der Vereine. Nicht zuletzt deswegen nennt sich der Deutsche Turner-Bund (DTB) selbstbewusst „Marktführer im Fitness- und Gesundheitssport“. DTB-Generalsekretär Hans- Peter Wullenweber sagt: „Die Zukunft gehört den Vereinen, die ein Komplettangebot machen vom Kinderturnen über den Fitnesssport bis zur Seniorengymnastik.“

Wahrgenommen werden die Turnvereine in Deutschland bislang vor allem über das Geräteturnen. Ihr Innenleben sieht jedoch längst anders aus. Sie haben sich viel abgeschaut von den kommerziellen Anbietern. Zum Turnfest hat der DTB viele professionelle Fitnesstrainer eingeladen, so genannte Presenter. Sie führen interessierten Mitgliedern ihre Übungen und Choreografien vor. Inzwischen fürchten die Fitnessstudios sogar die Konkurrenz der Turnvereine. Wullenweber: „Einigen Presentern ist verboten worden, bei uns aufzutreten. Es gab Beschwerden, dass bei uns schon auf demselben Niveau ausgebildet wird wie im Fitnessstudio.“

Der DTB hat jedenfalls seine Basis gestärkt. Bei den Fitnessstudios dagegen hat eine Marktbereinigung stattgefunden, vor allem kleinere Studios sind verschwunden. Den verbliebenen setzen die Vereine in ihrer ureigenen Domäne zu: beim individuellen Training mit Geräten. Viele Vereine haben sich dafür inzwischen gemeinsam mit den Kommunen neue Sportstätten geschaffen. „Das Zeitalter der Dreifelder-Sporthalle ist vorbei. Die Vereine wollen auch noch Räume für Entspannungstraining, Wellness oder Kraftgeräte“, sagt Wullenweber. Er glaubt: „Die Vereine, die ausschließlich auf kommunale Sportstätten zurückgreifen, werden Probleme bekommen.“

Für ihren Wandel zum Sport-Fitness- Wellness-Klub brauchen die Vereine Mut. Ein Studio wie in Halle 15 kostet 100000 Euro. Bisher ist jedoch kein Verein aufgefallen, der seine Investitionen bereut hat. „Gerade Vereine in kleineren Städten und auf dem Land haben gute Voraussetzungen“, glaubt Pia Pauly, die für Sport und allgemeines Turnen zuständige Abteilungsleiterin beim DTB. In den großen Städten dagegen behaupten die Fitnessstudios ihre Position. „Es gibt in den Städten Leute, die alleine ihre Übungen machen wollen“, sagt Pauly. Um diese Sportler bräuchten sich die Vereine erst gar nicht zu bemühen, stattdessen sollten sie sich auf ihre eigenen Stärken konzentrieren, traditionelle mit modernen Angeboten verzahnen und viel Training in der Gruppe anbieten, empfiehlt Pauly. „Das schafft Bindungseffekte.“

Der DTB will den Vereinen nun helfen, ihre Sportstudios besser zu vermarkten. Beim Turnfest stellt er ein Gütesiegel für Vereinsstudios vor. „Dabei achten wir vor allem auf die Betreuung. In den Studios der Vereine werden die Leistungen der Mitglieder immer wieder überprüft und gemeinsam neue Ziele gesetzt. Gerade bei den billigen Fitnessanbietern hilft dagegen keiner“, sagt Pia Pauly. Bei aller Orientierung an der kommerziellen Konkurrenz sollen die Vereine schließlich nicht von ihrem eigenen Anspruch abkommen: In ihren Sportstudios soll auch soziale Kompetenz trainiert werden können.

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