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Sport: Weltmeister auf Umwegen

Lange hat Markus Beyer mit einem unsichtbaren Gegner gekämpft – jetzt kann er als Boxer brillieren

Berlin. In dieser Woche schläft Markus Beyer besonders lange. Es ist zwar ein fremdes Bett, aber das bringt sein Beruf so mit sich. Markus Beyer ist nämlich Boxweltmeister und muss diesen Titel in regelmäßigem Abstand neu verteidigen. Diesen Samstag wird das in Dresden der Fall sein. Der Südafrikaner André Thysse hat ihn herausgefordert. Bis dahin muss der Weltmeister schön die Nerven bewahren. Im Schlaf geht so etwas am besten.

Im Leben des Markus Beyer gab es Tage, an denen er überhaupt nicht aufstehen konnte. Eine böse Krankheit hatte ihn niedergestreckt. Und es gab Tage, da wäre er am liebsten nicht mehr aufgestanden. Eine unnötige Niederlage und ein Disqualifikationssieg im Boxring waren ihm dazwischen gekommen. Aber der Reihe nach.

Beyer, der nach den Olympischen Spielen 1996 zu den Profis gewechselt war, sollte 1998 um die Weltmeisterschaft boxen. Das aber tat dann sein Stallkollege Sven Ottke, mit Erfolg. Für das Profiboxen galt Beyers Stil geradezu als idealtypisch. Doch 1998 wurde der starke Sachse auf die Bretter geschickt, von einem unsichtbaren Gegner. Markus Beyer litt unter dem Pfeifferschen Drüsenfieber. Müdigkeit und Herzrasen, Schweißausbrüche und Schüttelfrost im Wechsel. Beyer konnte sich tagelang nicht bewegen. „Ich hab mich gefühlt, als müsste ich sterben“, sagte Beyer damals. Schließlich überwand er das Fieber.

Inzwischen war Sven Ottke an seine Stelle getreten. Im Super-Mittelgewicht wurde er Weltmeister, erst nach Version des Weltverbandes IBF, dann der WBA. Beyer musste schlucken, das Super-Mittelgewicht, in der Ottke Weltmeister wurde, war auch seine Gewichtsklasse. Und beide haben denselben Trainer, Ulrich Wegner. Während Ottke die großen Gagen einstrich, mühte sich Beyer, sein verlorenes Jahr aufzuholen. Beyers Vorteil damals war seine Nervenstärke. Die zeigt sich in den letzten Tagen, in den letzten Stunden vor dem Kampf. Mit jeder Stunde steigt der Stressfaktor. Manche Boxer verlieren den Kampf schon beim Aufwärmen. „Den Kabinentod sterbe ich nicht“, hat Beyer einmal gesagt. Er war das ganze Gegenteil von Ottke. Ottke, der bis heute nicht einen seiner Profikämpfe verloren hat, ist er in der letzten Phase vor dem Kampf ziemlich zappelig. Um sich abzulenken, geht Ottke wenige Stunden vor dem Kampf beispielsweise zum Friseur. „Ihn muss man etwas bremsen. Markus dagegen muss immer ein wenig animiert werden“, erzählt Trainer Wegner.

Markus Beyer musste den Umweg nehmen, um ans Ziel zu gelangen. Im Oktober 1999 entthronte er im englischen Telford den einheimischen WBC-Weltmeister Richie Woodhall, den er dreimal am Boden hatte. Beyer war damit nach Max Schmeling und Ralf Rocchigiani erst der dritte Deutsche, der sich den Titel im Ausland holte. Das imponierte zwar Experten, die breite Masse aber kannte eigentlich nur Sven Ottke, der zwar ausschließlich in Deutschland, aber dafür in kürzester Zeit seine Titel reihenweise erfolgreich verteidigte. „Der Sven hat sich nie aus seinem Rhythmus bringen lassen, der weiß, was er will“, sagt Trainer Wegner. Bei Markus Beyer ist das etwas anders. „Von der Psyche her sind die Boxer sehr unterschiedlich. Markus ist ein tiefgründiger Mensch mit einer intelligenten Auffassungsgabe und einem angeborenen Bewegungstalent“, sagt Wegner. „Aber manchmal muss man ihn antreiben und aufbauen. Er ist sensibler, als ich dachte.“

Sensibler geworden. Beyer verlor seinen Titel im Mai 2000. Da hatte der Sachse seinen Herausforderer Glenn Catley in der 8. Runde am Rande eines Knockouts, doch dann ging er in der zwölften Runde selbst k. o. Beyer überwand auch das. Vor einem Jahr holte er sich den Titel vom Kanadier Eric Lucas zurück. Dann kam der Kampf gegen Danny Green. Gegen den Australier hatte Beyer seinen WM-Titel im Juni 2003 nur durch Disqualifikation behalten. Green hatte mit dem Kopf gestoßen und Beyer so schwer verletzt, dass der Kampf abgebrochen werden musste. Green lag auf den Punktzetteln vorn. Die Zuschauer in der Halle pfiffen, als Beyer den Titel behalten durfte. Den Rückkampf im November musste Beyer absagen, weil er an einer Augenerkrankung litt. Schließlich hatte man sich den kommenden Samstag ausgeguckt. Diesmal ließ Green den Termin platzen, seine Hand ist verletzt. „Ich hätte gern gegen Green geboxt, um es allen zu zeigen, dass ich der bessere Boxer bin“, sagt Beyer. Was nicht ist, kann noch werden. Markus Beyer hat das Warten gelernt.

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