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Sport: Weltrekord in der Provinz

Die Bundesliga will sich besser in Asien vermarkten – besonders Japan bietet sich an, denn dort ist das Spiel zum Nationalsport geworden

Tokio. Das Jahr hat gut aufgehört für den Fußball im Fernen Osten. Wieder einmal staunten die Besucher aus aller Welt, was die Japaner in diesem Sport alles schaffen. Das neue zwölfstöckige Haus des Verbandes JFA macht optisch viel her, erst recht von innen. Als Captain Kawabuchi – auf dieser populären Anrede besteht der Verbandspräsident und ehemalige Spielführer der japanischen Nationalmannschaft – anlässlich des Weltpokalendspiels zwischen Boca Juniors und AC Mailand den Delegierten der europäischen (Uefa) und südamerikanischen Konföderation (Conmebol) die Verbandszentrale zeigte, gab es spontanen Applaus. Vor allem für das Fußball-Museum, das offiziell in der vergangenen Woche eröffnet wurde.

Über drei Stockwerke hinweg wird modern, aber auch traditionell die Geschichte vom Aufstieg des japanischen Fußballs in Szene gesetzt. Das beginnt mit alten Olympia-Trikots und ungezählten Fairness-Pokalen, die Japans Nationalmannschaften auf Turnieren rund um den Globus gesammelt hatten. Seit jeher sind die Japaner auf olympische Ideale fixiert. Nun wollen sie vorführen, welch anständige Athleten die weiße Fahne mit der roten Sonne tragen durften. Umso härter trifft einen dann der Übergang zu jener Epoche, in der ein Land mit 130 Millionen Einwohnern Fußball als Nationalsport entdeckt hat. Ohne Vorwarnung steht man plötzlich im original nachgebauten WM-Umkleideraum, wo die Trikots, Hosen und Stutzen von Nakata, Inamoto und seinen Mitspielern sauber in den offenen Spinden hängen und Trainer Philippe Troussier in Lebensgröße und aus Pappmaché seinen Spielern an der Tafel Taktik erklärt. Sensationell ist auch das virtuelle Kino. Hier läuft die Erfolgsstory vom Sommer 2002 bis zu den Tränen nach dem WM-Aus gegen die Türkei in Niigata, anschließend lässt sich das Endspiel zwischen Brasilien und Deutschland noch einmal erleben.

Man muss Zeichen setzen, so lautet die Philosophie der japanischen Fußball-Pioniere, die mittlerweile alle über Siebzig sind, aber ein Leben lang für ihre Idee und für ihren Volkssport gekämpft haben. Noch sei es so, sagt Shun-ichiro Okano, der auch als Vizepräsident im IOC sitzt, dass auf den ersten drei Seiten der Sportblätter von Tokio und Osaka die Baseballer gefeiert werden. „Aber auf den Seiten vier, fünf und sechs kommt dann schon Fußball – und wir holen von Jahr zu Jahr auf.“ Das Fußball-Publikum ist wesentlich jünger als die in der Besatzerzeit auf amerikanische Vorlieben aller Art getrimmte Nachkriegsgeneration. Vor allem aber haben sich die Japaner durch geschickte Werbung die junge Klientel, und dabei erstaunlich viele Frauen und Mädchen, gesichert. Kein Wunder, dass auch die Bundesliga immer mehr Interesse am asiatischen Markt zeigt und versucht, über Stars wie Naohiro Takahara (siehe Artikel links) oder über veränderte Anstoßzeiten, die dem asiatischen Fernsehen bessere Übertragungsmöglichkeiten geben, das begeisterte Publikum in der Ferne anzusprechen.

Jedes Jahr nach Abschluss der Saison gibt die J-League voller Stolz ihre Besucherzahl bekannt. In den letzten drei Jahren wurden die Zahlen Jahr für Jahr gesteigert. Die Gefühlswallungen sind in erster Linie nationaler Art. Die vom Brasilianer Zico trainierte Nationalmannschaft und auch die Olympia-Auswahl treten ausschließlich in ausverkauften Stadien auf, wie immer der Gegner auch heißen mag. Doch auch die angestrebte Identifizierung mit den Klubs macht große Fortschritte. Mit mehr als 20 000 Zuschauern pro Match liegt die J-League weltweit auf Platz sechs hinter Markenbegriffen und Institutionen wie Premier League, Bundesliga, Serie A, Primera Division und konkurriert mit den Fußballfans aus Frankreich um den nächsten Rang. Diesen werden die Franzosen in der neuen Saison wohl verlieren, weil dann mit Aufsteiger Niigata ein Zuschauer-Phänomen in der J-League mitmacht. Die Mannschaft aus der Provinz hat gerade mit durchschnittlich 42 000 Zuschauern einen Weltrekord für Zweitligaspiele aufgestellt.

Martin Hägele

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