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Sport: Wenig zu sehen von der "future formation"

Deutsche Baskettballer unterliegen einem Gegner, der das DBB-Konzept erfolgreich praktiziert hat VON DIETMAR WENCK HAMBURG. Eigentlich ist es doch schön, wenn man eine Mannschaft mit Zukunft hat.

Deutsche Baskettballer unterliegen einem Gegner, der das DBB-Konzept erfolgreich praktiziert hat VON DIETMAR WENCK

HAMBURG. Eigentlich ist es doch schön, wenn man eine Mannschaft mit Zukunft hat.Wie zum Beispiel der Deutsche Basketball Bund (DBB), der so gern von seiner "future formation" spricht.Schade nur, wenn man auf einen Gegner trifft, der Zukunft, Gegenwart und Vergangenheit hat, wie es den Schützlingen von Bundestrainer Vladislav Lucic am Mittwoch in Hamburg geschah.102:74 wurden die Deutschen von Rußland überrollt, obwohl sie zur Pause noch mit drei Zählern geführt hatten.In der zweiten Halbzeit schien es so, als hätten die Gäste 25 Minuten lang mit ihrem Gegner nur gespielt, ehe sie ihn an die Wand spielten.Lucics Team muß sich nun ernsthafte Sorgen machen, die Qualifikation für die Europameisterschaftsendrunde nächstes Jahr in Spanien erfolgreich zu überstehen.Hört sich das nach einer rosigen Zukunft an? Am 27.November in Lettland stehen die Deutschen beim direkten Vergleich um den angestrebten zweiten Tabellenrang in Gruppe B unter erheblichem Druck. Schade ist natürlich auch, wenn von der "future formation" so wenig zu sehen ist wie in Hamburg.Lucic begann mit den vier deutschen Europameistern von 1993, Henrik Rödl, Henning Harnisch, Chris Welp und Michael Koch sowie Sascha Hupmann.Diese erste Fünf spielte die ersten zehn Minuten durch, erst dann kamen mit Denis Wucherer und Tim Nees zwei der sogenannten jungen Wilden.Marko Pesic, Stephen Arigbabu und Jörg Lütcke durften erst eingreifen, als längst alles entschieden war.Ganz abgesehen davon, daß ein halbes Dutzend deutscher Hoffnungsträger, die zur Zeit an Colleges in den USA studieren (unter anderen Ademola Okulaja und Patrick Femerling), gar nicht zur Nationalmannschaft hatten reisen dürfen.Dies ist für Lucic aber nicht die einzige Crux.Einerseits möchte der 55jährige Serbe gern eine junge Mannschaft für die EM-Endrunde in Spanien aufbauen.Andererseits läuft der Bundestrainer, wenn er auf die Qualitäten seiner "Alten" verzichtet, Gefahr, daß die Endrunde gar nicht erreicht wird. Trübe Aussichten also? Michael Koch, der bei Panathinaikos Athen viel Geld verdient (600 000 Dollar netto pro Saison), sieht es nicht so.Für die EM-Qualifikation reiche die Substanz in der deutschen Mannschaft allemal, glaubt der 30jährige.Und in Zukunft werde die Nationalmannschaft vom Bosman-Urteil profitieren.Erst, wenn die besten deutschen Basketballer in einer besseren als der Bundesliga spielten, glaubt der ehemalige Leverkusener, könne der Anschluß international geschafft werden."Das beste Beispiel sind die Russen", sagte er nach der hohen Niederlage, der höchsten seit acht Jahren für das DBB-Team, "die spielen in Madrid, Barcelona, Zagreb oder Istanbul.Dort sammeln sie so viel Erfahrung, daß sie in entscheidenden Situationen wissen, was zu tun ist." Dabei sind Spieler wie Andrej Fetissow (24), Michail Michailow (25) oder Wassili Karassew (25) jung, haben ihre besten Basketballer-Jahre noch vor sich.Und doch schon große Erfolge hinter sich: vor zwei Jahren Vizeweltmeister, vor drei Jahren Vizeeuropameister.Neun der zehn Spieler, die 1993 im Finale von München Deutschland unterlagen, gehören noch immer und vermutlich noch ziemlich lange zum russischen Nationalteam.Da hat sich also der Mut gelohnt, früh auf junge Leute zu setzen, einen Radikalschnitt zu wagen.Wellentäler muß man dabei in Kauf nehmen, auch die Russen, die vergangenes Jahr bei der EM einen enttäuschenden siebenten Rang belegten, mußten dies.Nur: So viel Mut hat eben nicht jeder.

DIETMAR WENCK

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