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Gewalt in Fußballstadien ist ein Dauerproblem. Noch zu oft verlassen sich die Vereine dabei allein darauf, dass die Polizei es schon richten wird - auf Kosten der Steuerzahler.

© dpa

Weniger Polizei in Fußballstadien: Vereine, hört die Signale!

Nordrhein-Westfalen will weniger Polizeikräfte in der Bundesliga einsetzen. Zu Recht: Sicherheit in Fußballstadien ist nicht nur Sache des Steuerzahlers, auch der DFB muss sich beteiligen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Peter von Becker

Beim Deutschen Fußballbund sollten sie jetzt mal aufpassen. Und ruhig nachdenken – statt nur erfolgstrunken vom WM- Sieg und neu berauscht durch die europameisterlichen U19-Jungs mit der eigenen Macht zu spielen.

Was die „Bild“-Zeitung am Montag unter der Schlagzeile „Keine Polizei mehr in Bundesliga-Stadien!“ präsentiert hat, war ein angebliches „Geheim-Papier“ aus Nordrhein-Westfalen. Tatsächlich erwägt der NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) ein Pilotprojekt, bei dem im August und September während vier Bundesligaspieltagen der Einsatz von Fan-begleitenden Polizeikräften in NRW eingeschränkt werden soll. Das traditionell krawallträchtige Derby Schalke gegen Dortmund ist davon terminlich noch nicht betroffen. Doch der DFB und die Ligalobby sitzen auf der Palme und sehen die öffentliche Sicherheit in Gefahr.

Offenkundig bleibt so Bremen kein Einzelfall. Erst kürzlich hatte der Senat des kleinsten Bundeslandes eine Vorlage für das Parlament aufgesetzt, nach der künftig die Deutsche Fußball Liga (DFL) an den vom Steuerzahler aus dem Staatssäckel getragenen Kosten für Polizeieinsätze bei Bundesligaspielen beteiligt werden soll. Kaum war das – von den Abgeordneten nach der Sommerpause überhaupt erst zu diskutierende – Vorhaben ruchbar geworden, sprang der Deutsche Fußballbund (DFB) seiner DFL an die Seite und verlegte mit einem Handstreich ein am 14. November in Bremen angesetztes EM-Qualifikationsspiel nach Nürnberg. Keine Nachtundnebelaktion. Sondern unverbrämter Brutalismus. Bei der WM in Brasilien eben noch sympathisch und weltoffen, geriert sich der DFB auf einen Schlag so selbstherrlich wie vor kurzem noch ein anderer Großverband: der ADAC.

Vereine, hört die Signale! Offenbar gerät in der Politik etwas in Bewegung. Der Fußball bleibt zwar unser Lieblingskind, aber wenn der Kindergarten aus lauter Millionären besteht, die um Milliarden spielen, dann fragen sich Staat und Steuerzahler eben auch, was Solidarität da bedeutet und kosten darf.

Wenn Frank Henkel Fußball mit Einbrechern vergleicht, ist das absurd

Noch sind die SPD-regierten und kassenklammen Bundesländer Bremen und NRW in einer Minderheitenposition. Aber wenn Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) den Fußball mit Demonstrationen oder gar Einbrechern vergleicht („Soll sich die Polizei da auch zurückziehen?“), geht das an der Sache absurd vorbei.

Allein zu den Demonstrationen: Bei ihnen schützt die Polizei neben der öffentlichen Sicherheit auch ein demokratisches Grundrecht. Ein Grundrecht auf Randale beim Fußball oder überhaupt auf kommerzielle Veranstaltungen, deren Polizeischutz in Einzelfällen eine halbe Million Euro pro Spiel kostet, besteht hingegen nicht.

Die meisten Vereine leisten vieles schon vorbildlich in Eigenregie, sie betreiben Fanprojekte, positionieren sich gegen Hooligans. Aber über mehr finanzielle und organisatorische Beteiligung an der Sicherheit von Bundesligaspielen nachzudenken, ist keine Zumutung. Sondern bewiesene – Verantwortung. Umgekehrt muss klar sein: Polizeiliche Deeskalation kann eine vernünftige, Konflikte und Kosten sparende Taktik sein. Dabei muss es auch Raum zum Ausprobieren geben. Allerdings darf der Staat nicht Bahnhöfe, Straßen und Stadien bei Massenveranstaltungen völlig sich selbst überlassen. Es gibt auch Mittelwege, bessere für alle Seiten.

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