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Thomas Aasen Markeng aus Norwegen stürzte im Dezember.

© dpa

Verletzungen beim Skispringen: Wenn das Fliegen wichtiger ist als die Landung

Beim Skispringen mehren sich die schweren Knieverletzungen. Die Ursache darin liegt auch an der Lust aufs Spektakel.

Auch bei dieser 68. Vierschanzentournee gab es schon ein Beispiel für die viel zu häufig gewordenen Stürze im Skispringen. In Oberstdorf verschnitt es dem erfahrenen Japaner Taku Takeuchi nach der Landung die Ski. Er stürzte bei nahezu 100 Stundenkilometern zu Boden, einer seiner Ski flog hoch durch die Luft und wurde kurz vor dem Einschlag in die Zuschauerränge von einer Bande gestoppt. Glücklicherweise wurde niemand verletzt.

Olympiasieger Andreas Wellinger hatte bei seinem Sturz im Sommertraining nicht so viel Glück und riss sich das Kreuzband im rechten Knie. Bei dieser Tournee tingelt er als TV-Experte durch die Stadien und arbeitet ein halbes Jahr nach seinem Sturz nun im Aufbautraining immer noch daran, den letzten Zentimeter Oberschenkelumfang zurückzugewinnen.

Auch der deutsche Hoffnungsträger David Siegel kämpft sich nach einem Kreuzbandriss gerade wieder zurück auf der Schanze. Genau wie der einstige Überflieger Severin Freund, der nach zwei Kreuzbandrissen in Folge zuletzt mit Rückenproblemen zu kämpfen hatte.

Drei Spitzenathleten fehlen dem deutschen Team bei dieser Tournee. Andere Topnationen haben ähnliche Probleme: Norwegen hat in diesem Winter schon Anders Fannemel und zuletzt beim Weltcup in Klingenthal Thomas Aasen Markeng nach Kreuzbandrissen verloren.

Der einstige Topspringer Kenneth Gangnes hat nach vier Kreuzbandrissen seine Karriere beendet. Skispringen war schon immer ein Risikosport, aber in den vergangenen Jahren sind speziell Knieverletzungen exponentiell angestiegen.

Die Gründe dafür reichen von der nicht immer perfekten Schanzenpräparierung über das zu einseitige Training bis hin zu weiten Flügen. Die Hauptursache ist jedoch laut Wellinger eine andere: „Das Material ist für den Flug optimiert, auf Kosten der Landung.“ Skisprung-Legende Martin Schmitt erklärt, warum: „Die Unterschenkel der Springer werden durch die Schuhe und Keile so geführt, dass man die Ski in der Luft wunderschön plan in den V-Stil legen kann.“

Andreas Wellinger fordert ein Umdenken

Das führt zu mehr Stabilität in der Luft – genau deshalb sieht man schlimme Stürze wie die des Österreichers Thomas Morgenstern beim Skifliegen am Kulm heutzutage gar nicht mehr. Dafür kracht es bei der Landung umso häufiger, weil durch die extreme Materialwahl eine physiologisch normale Landung extrem schwierig geworden ist. Die Füße kommen nicht gerade auf – und so besteht die Gefahr, dass die Ski übereinander fahren.

Andreas Wellinger fordert vom Internationalen Skiverband Fis eine Diskussion über Regeländerungen. Und dass die Sportler künftig in die Entscheidung über die Material-Vorgaben einbezogen werden: „Wir müssen schließlich da runterspringen.“

Der zum Saisonende in Pension gehende Fis-Skisprung-Chef Walter Hofer sieht zwei Möglichkeiten der Einflussnahme: „Entweder direkt durch Eingriffe in die Regeln. Oder indirekt, indem man die Landung in der Punktewertung mit einem höheren Faktor bewertet.“

Für letzteren Vorschlag hat Schmitt kein Verständnis: „Das ist, als würde man in der Formel 1 keine Auslaufzonen mehr machen, damit die Piloten nicht mehr so schnell durch die Kurve fahren.“ Die einzige Lösung sind nach seiner Meinung Regeländerungen, um die Extreme zu unterbinden: „Im Anzugbereich ist fast jede Naht vorgeschrieben. Aber bei den Schuhen ist Feuer frei.“

Der Deutsche Skiverband setzt sich wegen der „besorgniserregenden Entwicklung der letzten Jahre“ in Person des Sportlichen Leiters Horst Hüttel klar für eine Regelanpassung ein: „Wir und andere Nationen sind an dem Punkt, wo schon darüber gesprochen wird.“

Schon jetzt springen die deutschen Topathleten mit einer Schuhkonstruktion, die noch eine halbwegs sichere Landung ermöglicht. „Wir gehen nicht auf 100 Prozent, weil wir auch die Verletzungsgefahr im Blick haben“, sagt Stefan Horngacher. Denn noch mehr Topathleten will auch der Bundestrainer nicht verlieren.

Erik Otto

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