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Sport: Wenn die Hymne verklungen ist

Brasiliens Altstar Zico tritt als Trainer Japans gegen sein Heimatland an

Berlin - Arthur Antunes Coimbra, den die ganze Welt unter dem Namen Zico kennt, ist der ewige Mittelfeldregisseur der brasilianischen Fußball-Nationalmannschaft. Dreimal, 1978, 82 und 86, hat er an Weltmeisterschaften teilgenommen, den Titel aber hat er nie gewonnen. Zico steht für eine Ära, in der die Brasilianer noch ausschließlich das schöne Spiel pflegten – und in Schönheit scheiterten. Der blonde Mittelfeldregisseur spielte dabei in jeder Hinsicht eine entscheidende Rolle. 1986, bei der WM in Mexiko, litt er noch unter den Folgen einer schweren Verletzung. Im Viertelfinale gegen Frankreich wurde er eingewechselt, er spielte einen Traumpass auf Branco, Frankreichs Torhüter Bats konnte den linken Verteidiger der Brasilianer nur mit einem Foul stoppen: Elfmeter. Zico lief an, Bats hielt, im Elfmeterschießen gewannen die Franzosen. „Dieser Moment wird mich bis an mein Lebensende verfolgen“, sagt Zico.

Trotz allem wird Zico in seiner Heimat weiterhin verehrt. Den weißen Pelé nennen ihn die Brasilianer, und an der Wertschätzung wird sich auch nichts ändern, wenn Zico am 22. Juni im letzten WM- Vorrundenspiel als Nationaltrainer Japans gegen sein Heimatland antritt. Genauso geht es auch Sven-Göran Eriksson, dem schwedischen Coach der englischen Nationalmannschaft, der ebenfalls im letzten Vorrundenspiel auf Schweden trifft.

Die Begegnung Brasilien – Japan hat es auch schon im vergangenen Jahr, beim Confed-Cup, gegeben. Das Spiel endete 2:2, in letzter Sekunde vergaben die Japaner die große Chance zum Sieg, der die Brasilianer aus dem Turnier befördert hätte. Zico, inzwischen 53 Jahre alt, hat vor dem Spiel seine gemischten Gefühle offenbart: „Ich will jedes Spiel gewinnen. Aber natürlich singe ich die brasilianische Hymne mit. Die habe ich schon in der Schule gelernt.“ So wird es auch bei der WM wieder sein. „Bis die Hymne verklungen ist, werde ich sehr aufgewühlt sein, aber wenn der Ball rollt, habe ich einen Job zu erfüllen.“ Zico hat längst eine besondere Beziehung zu seiner Wahlheimat aufgebaut. Er hat einen großen Anteil daran, dass sich der Fußball in Japan etablieren konnte. Zico war einer der ersten ausländischen Profis in der J-League, bei den Kashima Antlers hat er als Spieler gewirkt, später als technischer Direktor und Trainer. In seiner Fußballschule hat er seit 1991einige tausend japanische Kinder trainiert. Nach der WM 2002 übernahm er das Amt des Nationaltrainers, und spätestens mit der Qualifikation für die Weltmeisterschaft in Deutschland ist er in Japan zur Ikone geworden, die verehrt wird wie in Brasilien nicht einmal ein Rockstar.

Den brasilianischen Fußball betrachtete Zico mit erheblichem Abstand, trotzdem ist er über alle Entwicklungen informiert. An seiner kritischen Haltung vor allem gegenüber dem Verband CBF hat die Distanz wenig verändert. Wenn Zico über den Fußball in seiner Heimat spricht, kann er regelrecht aggressiv werden. „Der brasilianische Fußball ist tot“, sagt er, und der Hauptschuldige daran ist in seinen Augen Ricardo Teixeira, der Präsident des CBF.

Teixeira ist seit langem Zicos Erzfeind. Der CBF arbeite nur zu seinem eigenen Nutzen, für die Vereine tue er nichts. „Das System macht den Verband reich und die Vereine arm. Welcher gute brasilianische Spieler ist denn noch in Brasilien?“, hat Zico einmal gefragt. „Alle spielen im Ausland, weil sie nicht wissen, ob sie am Ende des Monats ihr Gehalt bekommen. Der CBF hat sich nie um die brasilianische Liga gekümmert. Wenn der Verband eine starke Liga mit gesunden Strukturen organisieren würde, müssten die Spieler nicht mehr ins Ausland gehen.“

Nach der WM endet Zicos Vertrag mit dem japanischen Verband. Er hat sich bereits entschieden, in seine Heimat zurückkehren, und viele sehen in ihm den künftigen Trainer der Seleçao. Doch daran denkt Zico nicht einmal im Traum. „Auf keinen Fall“, sagt er. „In Brasilien kann man als Trainer nicht ernsthaft arbeiten. Man bekommt keinen Respekt. Verlierst du ein Spiel, bist du schon weg.“

Der Autor ist Sportredakteur bei der brasilianischen Zeitung „O Estado de Sao Paulo“ und derzeit als Stipendiat der Internationalen Journalisten-Programme (IJP) zu Gast beim Tagesspiegel.

Marco Justo Losso

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