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Sport: Wer rechnet mit wem ab - und warum? (Kommentar)

Der Kampf des Jahres trägt ein hübsches Motto - "Die Abrechnung". Hört sich irgendwie endlich an, oder?

Der Kampf des Jahres trägt ein hübsches Motto - "Die Abrechnung". Hört sich irgendwie endlich an, oder? Aber bitte, wer rechnet mit wem ab, und warum, und wie? Heute Abend stehen sich zum zweiten Mal Graciano Rocchigiani und Dariusz Michalczewski im Ring gegenüber. Das es sich dabei um einen WM-Kampf handelt, ist allenfalls nebensächlich. Michalczewski gedenkt einen Titel eines Weltverbandes (WBO - World Boxing Organization) zu verteidigen, der in weiten Teilen der Boxwelt als unbedeutend gilt. Und dennoch hat der Kampf seinen Reiz. Denn der erste Kampf zwischen beiden im August 1996 auf St. Pauli endete mit einem Skandal.

Rocchigiani sagt, dass ihm die Geschehnisse von damals nicht mehr interessieren. Allerdings stieg der BerlinerRechtsausleger seitdem nur zweimal in den Ring. Zuletzt im März 1998. Nach zwölf Runden besiegte er in einem WM-Kampf den US-Amerikaner Michael Nunn nach Punkten. Es war der 45. Profikampf des 36-Jährigen. Insgesamt gewann er davon 40, boxte einmal unentschieden, verlor vier Mal, drei Mal davon zu unrecht. Langsam wird die Zeit für ihn knapp und wohl auch das Geld.

Michalczewski amtiert seit fünfeinhalb Jahren als Halbschwergewichtsweltmeister der WBO mit einer Bilanz von 41 Siegen in 41 Kämpfen. Für Rocchigiani geht es darum, seine Leistung von damals zu wiederholen. Ihm geht es nicht um Ruhm, er will endlich seine Ruhe. Doch der innere Frieden ist ihm erst sicher, wenn er endlich das bekommt, was ihm seiner Meinung nach zusteht: eine entsprechende Börse. Und Michalczewski? Finanziell braucht der mehrfache Millionär den Kampf gegen Rocchigiani nicht, auch sportlich bringt er ihn nicht wesentlich weiter. Das große Ziel ist nach wie vor ein Duell gegen den Dreifach-Weltmeister Roy Jones (USA). Doch nach dem Skandal von 1996 ist ein Sieg über den Rivalen für seine Reputation in Deutschland wichtig.

Von Rocchigiani war zu hören, dass er den Gegner bis zur fünften Runde ausgeknockt haben will. Dahinter steckt durchaus ein taktisches Konzept. Der Berliner hat zwei Jahre nicht mehr geboxt, was als sein größtes Handicap gelten darf. Die fehlende Praxis könnte sich negativ auswirken, je länger der Kampf dauert. Hinzu kommt, dass Rocchigiani bei seinen letzten Kämpfen immer wieder Probleme mit seinen Augenbrauen hatte. Sein größter Vorteil ist die Psyche: Er ist der robustere Typ, dem es ziemlich egal ist, was die Leute von ihm halten. Das erhöht den Druck auf den Michalczewski. Bei ihm stellt sich die Frage, wie er den ersten Kampf verarbeitet hat. Behält er diesmal die Nerven, wenn er in den ersten Runden merkt, dass er mit Rocchigianis Stil wieder nicht zurecht kommen sollte? Kann er die gute Doppeldeckung Rocchigianis knacken? Kann er sich gegebenenfalls umstellen? Kann andererseits der Berliner dem physischen Druck des fünf Jahre jüngeren Weltmeisters erneut wiederstehen? Denn in einer ähnlich desolaten Form wie 1996 wird er sich nicht mehr in den Ring wagen. Nach einer Niederlage wäre der Michaelczewski weg vom Fenster, weiter als es Rocchigiani je war.

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