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Sport: Werder bleibt der Offensive treu

In der Champions League will Bremen heute in Turin nicht nur den 3:2-Vorsprung verteidigen

Die edlen dunklen Klubanzüge vermittelten gestern Morgen am Bremer Flughafen ein eindrucksvolles Bild. Wenn Werder Bremen im Jahre 2006 auf Reisen geht, dann wirkt das ein bisschen wie bei den Großen des europäischen Fußballs: eigene Garderobe, exklusiver Charterflieger, exquisites Quartier. Bereits am Mittag stieg der bremische Tross im Hotel Golden Palace in der Turiner Innenstadt ab, heute wird im Stadion Delle Alpi aus Werder-Sicht das „Spiel des Jahres“ (20.45 Uhr/live Premiere) angepfiffen.

„Wir können Geschichte schreiben“, behauptet Stürmer Ivan Klasnic forsch und stuft die Chancen auf den Viertelfinaleinzug gleich einmal frech mit „60 Prozent“ ein. Unter den Verantwortlichen regiert aber allenfalls gedämpfte Zuversicht. „Juve ist weiter klarer Favorit, und wir sind weiter klarer Außenseiter", insistiert Sportdirektor Klaus Allofs. Für den notorisch unaufgeregten Trainer Thomas Schaaf, der bei der morgendlichen Plauderstunde in der Flughafen-Lounge nicht anders wirkte, als träten die Seinen heute zum DFB-Pokalspiel in Burghausen an, ist allein wichtig, „dem offensiven Stil“ treu zu bleiben. „Wir werden nicht den Fehler machen, uns hinten reinzustellen und mit zehn Mann vor dem Torwart herumzuhoppeln.“

Was ganz den Vorstellungen von Tim Wiese entspricht. Der Keeper empfiehlt, in der voraussichtlich nicht einmal halbvollen Betonschüssel Delle Alpi schlicht und einfach „volle Kanne“ zu agieren. Einig sind sich alle: „Auf ein Unentschieden oder gar auf ein 0:0 können wir nicht spielen.“ (Allofs).

Gefordert sind vorrangig einige Leistungsträger aus dem Kreis von Jürgen Klinsmann. Immerhin standen doch beim furiosen 3:2 im Hinspiel acht deutsche Spieler in Werders Anfangself. Doch jüngst beim bundesweit diskutieren Fiasko der DFB-Nationalmannschaft in Florenz versagten auch die Bremer Auserwählten: Torsten Frings uninspiriert, Miroslav Klose unsichtbar, Tim Borowski unauffällig. Sie ließen sich genau von jenen italienischen Auswahlspielern abkochen, die das Juve-Trikot tragen (Cannavaro, Camoranesi oder del Piero) und denen sie vor zwei Wochen im Weserstadion noch so couragiert-engagiert die Stirn geboten hatten.

Ohnehin ist auffällig, dass gerade Werders stärkste Kräfte ihr Potenzial in Klinsmanns Kreis nicht entfalten. Patrick Owomoyela und Christian Schulz strotzen trotz limitierter Möglichkeiten auf den Außenbahnen zumindest im Bremer Trikot stets vor Selbstvertrauen, bei Klinsmann spielen sie wegen zaudernd-zögerlicher Auftritte kaum noch oder keine Rolle mehr. Frings bringt seinen Elan zu selten ins Nationalteam ein, wo Klose eine merkwürdige Mittellosigkeit und notorische Torarmut befällt. Schlüssige Erklärungen haben die Profis dafür nicht. „Klar, wir sind damit nicht zufrieden“, sagt Klose, der sich vorgenommen hat, seine Torquote unter Klinsmann deutlich zu erhöhen.

Vor dem richtungsweisenden Spiel im Verein regiert immerhin wieder die Zuversicht. „Die müssen uns erst einmal schlagen, wir sind auswärts immer für ein Tor gut“, beteuert Frings. „Auf alle Fälle ein Tor schießen“, gibt Klose als Devise aus. „Unser Spiel durchziehen“, empfiehlt Borowski. Von diesen Führungskräften – den launischen Johan Micoud eingeschlossen – wird abhängen, ob Werder eine solche Lehrstunde erspart bleibt, wie sie jüngst die Nationalelf in Italien erhielt.

Allofs hat übrigens schon nach dem Hinspiel die allgemeine Begeisterung vorsichtshalber gedämpft. „So schön der erste Erfolg gegen Juve auch ist – was im zweiten Spiel in Turin abgeht, da müssen wir uns auf einiges gefasst machen.“ Die Statistik speist diese Bedenken: 30 Jahre ist es her, dass der Italienische Meister in einem K.-o.-Duell an einer deutschen Mannschaft gescheitert ist.

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