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Sport: Wie in Trance

Die französischen Leichtathleten holen gleich zweimal Gold

Paris. Sieben Tage hatten die Franzosen auf Gold gehofft und ihre Stars nach vorn gebrüllt. 60 000 riefen im Stade de France die Namen der französischen Leichtathletik-Idole. Doch die Hoffnung auf den großen Triumph erfüllte sich nicht – bis zum allerletzten Versuch in der Weitsprungkonkurrenz am Sonnabend. Den hatte die Französin Eunice Barber, die zuvor im Siebenkampf als Zweite eine der bis dahin vier französischen Medaillen gewonnen hatte.

„Vor diesem letzten Sprung gingen mir viele Gedanken durch den Kopf. Ich hatte mich im zweiten Sprung leicht am Rücken verletzt“, erzählte die 28-Jährige. „Aber mein Trainer hatte gesagt: Du kannst sieben Meter springen. Vor allem aber dachte ich: Das ist dein letzter Sprung vor diesen Zuschauern, du musst alles geben.“ Sie lief an, sprang, landete – und das Stadion tobte. Eunice Barber aber merkte nichts, sie wusste nicht, wo sie gelandet war – bis sie zur Seite guckte und sah, was passiert war. Sie war an der 7-m-Marke gelandet. Nun tobte auch Eunice Barber. 6,99 Meter leuchteten auf – Gold für Frankreich. Der Zeitplan geriet in Verzug, denn es dauerte rund eine Viertelstunde, bis sich die Massen so weit beruhigt hatten, dass das 4 x 100-m-Halbfinale der Männer gestartet werden konnte.

Die Beruhigung war von kurzer Dauer, denn zwischen dem Sprung von Eunice Barber und dem Start des 4 x 100-m-Finales der Frauen hatten die Organisatoren eine Überraschung für die 60 000 Fans: Marie-José Perec, die Ikone der französischen Leichtathletik. Seit ihr vor drei Jahren bei Olympia die Nerven durchgegangen waren und sie überstürzt aus Sydney abreiste, galt sie für die Öffentlichkeit als vermisst. Ein Comeback schaffte sie nicht, doch als sie den Innenraum des Stadions betrat, jubelten die Franzosen, als hätte sie Gold gewonnen. Was Perec sagte, war in dem jubelnden Chaos nicht zu verstehen. Nur so viel: „Es ist toll.“

Und der tolle französische Tag war noch nicht zu Ende: Durch den Fall Kelli White fehlte den Amerikanerinnen die beste Sprinterin über 4 x 100 Meter. Das war die einmalige Chance für die Französinnen. Und sie nutzten sie. Als die 100-m-Europarekordlerin Christine Arron als Schlussläuferin den Stab übernahm, hatte sie rund einen Meter Rückstand auf die US-Amerikanerin Torri Edwards, die im Einzelfinale als Zweite schneller gewesen war als die Französin. Doch wie in Trance lief Christine Arron, überholte Torri Edwards 50 Meter vor dem Ziel und siegte.

Wie Eunice Barber war auch Christine Arron derart konzentriert, dass sie zunächst gar nicht wusste, dass sie gewonnen hatte. Das Mädchen, das ihr die Getränkeflasche reichte, sagte es ihr. Erst dann löste sich die Anspannung im Gesicht von Christine Arron. „Es ist schwer, die USA zu schlagen. Beide wollten gewinnen, aber Gott war auf unserer Seite“, sagte Startläuferin Patricia Girard. Sieben Tage hatten die Franzosen vergeblich gehofft – nun feierten sie das zweite Gold binnen 20 Minuten.

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