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Sport: Wie kleine Kinder

Beim Pokal-Debakel in Frankfurt zeigen sich Risse im Schalker Mannschaftsgefüge

Obwohl das Spiel auf dem Rasen längst abgepfiffen war, begann im Kopf von Frank Rost die Verlängerung. Der Torhüter des FC Schalke 04 stand regungs- und fassungslos in den Katakomben der Frankfurter Fußballarena, in der linken Hand hielt er seine Arbeitshandschuhe, die rechte ballte er zur Faust. So spielte Rost die Demütigungen im eigenen Strafraum durch: „Da stehen die vier gegen zwei vor uns und spielen Jojo.“ Die, das war die Frankfurter Eintracht – ein plötzlich entfesselt spielender Bundesliga-Aufsteiger, der einen denkwürdigen Pokalabend mit einem 6:0 (2:0)-Triumph krönte. Das Problem, das Rost erkannte, waren jedoch nicht die anderen: „Wir haben die Tore verschenkt.“ Der FC Schalke 04, Vizemeister, Pokalfinalist, Champions-League-Teilnehmer, ist im DFB-Pokal an sich selbst gescheitert.

Am Morgen nach der schlimmsten Pokalniederlage seit 39 Jahren wurde der trainingsfreie Tag abgesetzt; Trainer Ralf Rangnick übte mit seinen Profis das Analysieren von Fehlern: „Wir können das ja nicht auf sich beruhen lassen.“ Nicht zum ersten Mal in dieser Saison waren die meisten Spieler ball- und selbstverliebt über den Platz geschlendert, anstatt den schnellen Weg am Gegenspieler vorbei zu suchen. „Ich kann nicht nachvollziehen, dass man bei 0:3 noch angreift und herumspielt“, kritisierte Rost, den die Lässigkeit seiner Kollegen nervte. „Wir waren so gefährlich wie eine Kobra im Kühlschrank.“

Auch nicht zum ersten Mal in dieser Saison vernachlässigte Schalkes Mannschaft fast verächtlich die Laufarbeit. „Es hat uns wieder ausgereicht, dass der Ball 30 Minuten lang rund läuft“, stellte Teammanager Andreas Müller fest, der von seinen Spielern nicht weniger verlangte, als dass „so ein Spiel nie wieder passiert“. Leicht wird die Wiedergutmachung allerdings nicht gegen die nächsten Gegner in der Bundesliga (Hamburger SV) und in der Champions League (Fenerbahce Istanbul).

Schalke tritt derzeit nicht als kämpfendes Team auf, sondern als Ansammlung von elf Einzelinteressen. 33 150 Zuschauer konnten die Unstimmigkeiten im Mannschaftsgefüge besichtigen. „Wenn sich zwei Leute streiten, wer den Elfmeter schießt, obwohl beide als Schützen nicht vorgesehen sind, dann hat das mit einer Bundesliga-Mannschaft nicht viel zu tun“, rügte Rangnick. In der Tat illustrierte der Strafstoß das Debakel. Sören Larsen, zuletzt gegen den FC Bayern vom Elfmeterpunkt erfolgreich, hatte sich den Ball genommen. Doch dann kamen Hamit Altintop und Gustavo Varela, um den Schuss jeweils für sich zu reklamieren. Varela setzte sich durch – und schoss mehrere Meter über das Tor. „Dieser Elfmeter sagt alles über uns“, resümierte ein nachdenklicher Altintop, der jedoch die Debatten im Team nicht mit einer ausschweifenden Fehleranalyse auszureizen gedenkt: „Wir sind ja keine kleinen Kinder mehr.“

Ralf Rangnick, der unversehens unter Erfolgsdruck steht, brachte die spielerische und analytische Lässigkeit seiner Profis in Rage. „Die Spieler sind aufgetreten wie kleine Kinder, deshalb sprechen wir auch so mit ihnen“, sagte der Trainer. Am Mittwoch trat die Mannschaft auf dem Gelsenkirchener Trainingsplatz zur Nachhilfestunde – „auch in Sachen Ehre“ (Teammanager Müller) – an. Die Verlängerung des Debakels hält an; im Kopf.

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