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In neuem Glanz: Der 1. FC Union spielt im modernisierten Stadion mit neuer Haupttribüne – und jetzt auch in der Spitzengruppe der Zweiten Liga.

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Wie tickt der 1. FC Union?: Fußball selbst gemacht

Der 1. FC Union Berlin hat sich bis in die Spitzengruppe der Zweiten Liga gekämpft – auf eine für das Profigeschäft eher untypische Art.

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Wer nicht wusste, dass es da ist, der hätte es leicht übersehen können. Das Stadion An der Alten Försterei duckte sich lange Zeit weg. Versteckt im Wald von Berlin-Köpenick, irgendwo in den Ebenen des deutschen Fußballs. Erst seit kurzem reckt es sich dem Himmel entgegen, nicht so protzig wie andere Arenen dieses Landes, aber doch erkennbar. Auffällig auch jetzt schon, ohne dass es fertig gebaut ist. Ein großes Ding ist das für den Verein, der von vielen als der „kleine Berliner Verein“ gesehen wird, hinter der großen Hertha aus Charlottenburg.

Die Alte Försterei ist so etwas wie Seele des 1. FC Union – das sagen sie alle im Klub. Dass sie symbolisch stehe für den Verein und auch ein bisschen dafür, wie dieser gerne gesehen werden möchte. Über die vergangenen Jahre hat sich das Stadion mit dem Verein gewandelt. Übrig geblieben aus der alten Zeit ist neben den im Jahr 2000 entstandenen Flutlichtmasten nur noch die mechanische Anzeigetafel. Seit den 80er Jahren, als Union noch der ewige Außenseiter war und gegen den übermächtigen BFC Dynamo aufzumucken versuchte, funktioniert sie; immer gleich, immer zuverlässig.

Die Unioner hängen an ihren Grundsätzen, auch wenn das nicht immer zur durchkommerzialisierten Fußballwelt passen mag. Ja, sie wollen sich professionalisieren, ihr Stadion modernisieren. Werbeeinblendungen während der Begegnungen, Halbzeitspielchen und Klatschpappen aber soll es aber zum Beispiel auch künftig nicht geben. Dafür wollen die Verantwortlichen schon sorgen, weil sie ja selbst einst in der Fankurve oder auf dem Platz standen. Präsident Dirk Zingler sowie Präsidiumsmitglied und Stadion-Architekt Dirk Thieme zum Beispiel. Oder Geschäftsführer Oskar Kosche, der frühere Torwart. „Wir sind im Grunde ein fangeführter Verein“, sagt Christian Arbeit, der Stadion- und Pressesprecher, der 2005 selbst aus der Fanszene rekrutiert wurde. Dass jemand mit viel Geld von außen kommt und den Verein umkrempelt, ist kaum vorstellbar.

Wer auf dem Gelände der Alten Försterei steht, der gelangt fast überall hin. Ins Stadion, in den Container- und Kabinentrakt, der in sein 18. und letztes Jahr geht und mit Leistungssport eher wenig zu tun hat, und auch ins Innere der Baustelle auf der Haupttribüne. Das Problem ist nur, überhaupt erst einmal reinzukommen. Die grünen Tore rund um die Alte Försterei sind meistens allesamt verschlossen. Und um die Trainingsplätze hinter dem Stadion haben sie schwarze Tücher gespannt, damit ja keiner sehen kann, in welcher Formation der 1. FC Union wohl auflaufen könnte im großen Stadtduell am Montag bei dem großen Berliner Verein.

Wieso Sportmanager Nico Schäfer vom Herthaner zum Unioner wurde

Nico Schäfer konnte sich für Hertha BSC begeistern. Er fuhr aus dem hohen Norden, wo er zu Hause war, öfter mal zu Spielen nach Berlin, bis in die Neunziger Jahre hinein. „Dann konnte ich mich nicht mehr mit dem Verein identifizieren“, erzählt er in einem der vielen Container, die im Matsch vor der Alten Försterei stehen. Hertha hat Teile seiner Vermarktungsrechte verkauft, und Schäfer hat große Teile seiner Zuneigung verloren. Heute arbeitet er als Sportmanager bei Union, weil es ihm wichtig ist, dass ein Klub „eigenständig handelt“.

Viel eigenständiger als Union kann man im Profifußball kaum handeln. Doch das war nicht immer so. Der Aufstieg bis in die Spitzengruppe der Zweiten Liga begann streng genommen mit einem Beinahe-Ruin. Damals, ab 2004, ging es von der Zweiten Liga weit hinab. „Das Zusammenrücken war vielleicht das wichtigste Ergebnis aus dem Absturz in die Oberliga. Dass Leute aus dem direkten Umfeld gesagt haben, wir nehmen die Sache jetzt selber in die Hand“, sagt Arbeit. Und: „In der ersten Zweitligazeit war der Verein vom Empfinden der Menschen, die hier her kommen vielleicht weiter weg. Zumindest weiter weg, als er es jetzt ist.“

Natürlich wäre es ohne die Millionen von Michael Kölmel nicht weiter gegangen mit Union, aber der ist im weiteren Sinne selbst Fan – und ließ den Klub arbeiten, wie der es wollte. Er ließ ihn Trainer Uwe Neuhaus verpflichten, der auch mehrere Spiele in Folge verlieren darf, ohne gefeuert zu werden und dem es offenbar gelingt, aus überschaubaren Möglichkeiten eine konkurrenzfähige Mannschaft zu basteln. Alles, solange es sich mit dem Ansinnen der Vereinsführung vereinbaren lässt. „Wir machen Fußball so wie es uns Spaß macht. Unser Fokus liegt darauf, bei uns selbst zu bleiben“, sagt Christian Arbeit. „Wenn wir mit unseren Mitteln irgendwann mal die Bundesliga erreichen, ist es okay. Verbiegen werden wir uns dafür nicht.“

Diese Attitüde und das alte Image des Vereins haben vielleicht auch dazu beigetragen, dass nicht unbedingt jedem aufgefallen ist, wie weit es die Köpenicker inzwischen gebracht haben. Sie haben sich herangekämpft, ja etabliert in Liga zwei. Und, sie sagen es zwar nicht so laut, aber sie schielen doch nach oben. Dorthin, wo der ganz große Fußball gespielt wird. Wo man sich nicht mehr verstecken kann. Wo Union richtig auffallen wird.

Im Moment ist die Seele des Vereins betongrau. An ihr hämmern und bohren Männer in orangefarbenen Latzhosen. Ein Baukran ragt noch übers Dach der Haupttribüne. Das Stadion An der Alten Försterei ist noch unfertig. Aber wenigstens ist es selbst gemacht.

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