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Sport: Wieder jubeln die anderen

Von Michael Rosentritt Berlin. Als kurz vor dem Spiel die deutsche Nationalhymne durch das Berliner Olympiastadion hallte, da rückten die Spieler von Bayer Leverkusen enger zusammen.

Von Michael Rosentritt

Berlin. Als kurz vor dem Spiel die deutsche Nationalhymne durch das Berliner Olympiastadion hallte, da rückten die Spieler von Bayer Leverkusen enger zusammen. Arm in Arm stand die Mannschaft in einer Reihe auf dem Rasen und demonstrierte Geschlossenheit. Das war auch wichtig vor dem 59. Finale im DFB-Pokal, denn im weiten Rund säumten vor allem Fans des FC Schalke 04 die Tribünen, selbst in der Leverkusener Kurve wehten die blau-weißen Fahnen des Gegners. Sie mussten also wieder einmal gegen das Publikum spielen, und natürlich wieder gegen ihren Ruf als ewige Zweite. Am Ende verteidigten die Schalker den Pokal, die Leverkusener verloren 2:4 (1:1). Nach der verspielten Meisterschaft bleibt ihnen am Mittwoch nur noch eine letzte Chance auf einen Titel – im Finale der Champions League gegen Real Madrid.

Vor 70 000 Zuschauern im ausverkauften Olympiastadion begannen beide Mannschaften offensiv. Schalkes Trainer Huub Stevens hatte im letzten Spiel vor seinem Wechsel zu Hertha BSC mit Gerald Asamoah, Victor Agali und Ebbe Sand drei Stürmer auf den Platz geschickt, Emile Mpenza hatte allerdings wegen einer Verletzung kurzfristig passen müssen. Stevens’ Kollege Klaus Toppmöller konnte dagegen seine Wunschformation aufstellen, und auch er entschied sich mit Oliver Neuville, Dimitar Berbatow und Zé Roberto für drei Stürmer. Seine Spieler hatte Toppmöller mit einem simplen Satz motiviert: „Bei einem Finale gibt es nur ein einziges Spiel, und danach ist alles zu Ende.“

Die Leverkusener begannen entsprechend kämpferisch. Sie erspielten sich im Mittelfeld ein Übergewicht, vor allem Berbatow trieb das Team an. Mitte der ersten Halbzeit konnten sich Michael Ballack und Bernd Schneider mit Schüssen versuchen, Zé Roberto glänzte gar mit einem Fallrückzieher. Folgerichtig fiel in der 27. Minute das Tor für Bayer. Yildiray Bastürk preschte über links nach vorn, legte zurück auf Lucio, der passte in den Strafraum auf den freistehenden Berbatov, der aus Nahdistanz vollendete. Toppmöller sprang jubelnd von der Bank, die Schalker Fans im Stadion dagegen riefen trotzig: „Steht auf, wenn ihr Schalker seid.“

Die Gelsenkirchener Spieler wehrten sich mit Kampf. Mit kleinen Fouls zerstörten sie den Leverkusener Spielfluss. Bayer ließ sich die Initiative aus der Hand nehmen – und zeigte wieder Nerven. Kurz vor der Halbzeit vergab Berbatow freistehend. „Den hätte er reinschießen müssen“, urteilte Bundeskanzler Gerhard Schröder auf der Tribüne.

Im Gegenzug machten die Schalker das Tor, nach einer Standardsituation. Asamoah war am rechten Strafraumeck auf Placente aufgelaufen, der streng pfeifende Schiedsrichter Franz-Xaver Wack entschied auf Freistoß. Jörg Böhme rannte an und hämmerte mit dem linken Fuß den Ball ins rechte Toreck. Böhme, den Bundestrainer Rudi Völler nicht zur Weltmeisterschaft nach Südkorea und Japan mitnehmen will, riss jubelnd den Mund auf, breitete die Arme aus und rannte auf Stevens zu. Der umarmte den Schützen kurz und setzte sich danach auf die Trainerbank und machte sich Notizen.

In der zweiten Halbzeit hatte Stevens mehr Zeit für seinen Zettelblock. Er saß die letzten 45 Minuten seiner Tätigkeit für Schalke 04 auf der Tribüne. In der Halbzeit hatte er so lange auf Wack eingeredet, bis der ihn von der Trainerbank verbannte. Von oben immerhin konnte Stevens beobachten, wie seine Mannschaft das Spiel nicht mehr aus der Hand gab und Tor um Tor schoss.

68. Minute: Victor Agali dribbelt sich von der Mittellinie bis an den Strafraum, umtanzt Lucio und schießt den Ball in die rechte Torecke. 2:1. 71. Minute: Agali kämpft sich auf der linken Seite nach vorn, legt ab auf Andreas Möller, der schießt aus 18 Metern ins Netz. 3:1. 85. Minute: Sven Vermant flankt von der rechten Seite in den Leverkusener Strafraum, Ebbe Sand köpft freistehend aus Nahdistanz ein. 4:1. Leverkusener Gegenwehr: Fehlanzeige.

Dass in der turbulenten Schlussphase Klaus Toppmöller ebenfalls auf die Tribüne verbannt wurde, Ulf Kirsten noch das zweite Tor für Bayer schoss und Victor Agali wegen einer Tätlichkeit vom Platz flog – es wird nicht im Gedächtnis der deutschen Fußballfans bleiben. Nur eines wird bleiben: Bayer Leverkusen verliert die wichtigen Spiele.

Die Bayer-Fans verbrannten in den letzten Minuten ihre rot-weißen Trikots, während Stevens sich auf der Tribüne ein blaues T-Shirt mit der Aufschrift „Pokalsieger 2002“ überzog. „Wieder ein bitterer Moment für uns“, sagte Leverkusens Manager Reiner Calmund. Seine Spieler waren längst in der Kabine. Auf dem Rasen standen nur noch die Schalker. Arm in Arm. Mit Pokal.

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