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Sport: Wimbledon: Kroatien weint vor Freude

Ob er im nächsten Jahr erneut nach Wimbledon kommen werde, wurde Goran Ivanisevic noch gefragt. Seine Antwort war eindeutig.

Ob er im nächsten Jahr erneut nach Wimbledon kommen werde, wurde Goran Ivanisevic noch gefragt. Seine Antwort war eindeutig. "Ich habe hier drei Mal verloren, und mich anschließend immer gefragt, was das wohl für ein Gefühl ist, wenn man zu Turnierbeginn als erster Spieler den Rasen auf dem Centre Court von Wimbledon betreten darf." Im nächsten Jahr will er dieses Gefühl kennen lernen. Als Titelverteidiger gehört Goran Ivanisevic in Wimbledon 2002 der erste Aufschlag.

Online-Gaming Spiel, Satz und Sieg: Der Pong-Klon von meinberlin.de Der Held aus Split hat seine Mission erfüllt. Goran Ivanisevic, die Nummer 125 der Weltrangliste, ist endlich am Ziel. "Das ist alles, was ich in meinem Leben erreichen wollte", sagte der Kroate. Mit seinem vierten Matchball hatte er einem nervenaufreibenden Finale gegen den Australier Patrick Rafter mit 6:3, 3:6, 6:3, 2:6 und 9:7 ein Ende gesetzt. 14 000 Fans waren begeistert. "Mein Arm war mindestens fünfzig Kilogramm schwer", sagte der 29-Jährige über sein Gefühl beim letzten Aufschlag, den vierten Matchball des Tages. Als ihm sein Gegenüber Patrick Rafter um kurz nach drei Uhr Ortszeit den Gefallen tat, den anschließenden Return ins Netz zu schlagen, war es Gewissheit: Nach 1992, 1994 und 1998 muss Goran Ivanisevic diesmal nicht mit dem Silberteller nach Hause reisen, den sie an der Church Road dem Verlierer des Finales geben. Das Schicksal eines Ken Rosewall, der vier Mal in Wimbledon im Finale verlor, bleibt ihm somit erspart.

Nur einmal in seinem Leben wollte Goran Ivanisevic ein Wimbledon-Champion sein. Als er es schließlich geschafft hatte, liefen dem Linkshänder mit den wuchtigen Aufschlägen, der jede Nacht Tabletten gegen seine Schulterschmerzen nehmen muss, die Tränen von den Wangen, und er schickte ein Gebet zum Himmel. Dann zwängte sich der gefeierte Sieger durch die Fans auf den vorderen Sitzreihen des Centre Courts, kletterte hinauf zu seinem Trainer Mario Tudor und Vater Srdjan. Schließlich widmete er seinen Titel einem alten Freund: Drazen Petrovic, dem ehemaligen Basketballprofi aus der amerikanischen Profiliga NBA, der vor acht Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen war. "Dieser Pokal hier", sagte Goran Ivanisevic, "ist für dich, Drazen. Ruhe weiter in Frieden."

Wie der frisch gekürte Wimbledonsieger selbst, schämten sich auch die angereisten kroatischen Journalisten ein paar hundert Meter weiter im Millenium Building, dem Pressezentrum von Wimbledon, ihrer Tränen nicht. "Der dritte Platz unserer Nationalmannschaft bei der Fußball-Weltmeisterschaft 1998 war ein großer Erfolg", sagte ein Zeitungsreporter aus Kroatien, "doch der Sieg von Goran bedeutet für unser Volk viel mehr." Und der Champion gab ihnen Recht: "Mich erwarten bei meiner Ankunft in Split mindestens 150 000 Menschen."

Es hat lange gedauert, ehe der alte und neue Volksheld am Ziel war. Insgesamt 48 Spiele musste Goran Ivanisevic in seiner Karriere bei den vier Grand-Slam-Turnieren der Welt bis zum gestrigen Match absolvieren, ehe ihm der Sieg in Wimbledon und die Prämie von 500 000 britischen Pfund sicher waren. So lange hat noch kein Tennisprofi benötigt, um einen Grand-Slam-Titel zu gewinnen. Ein weiterer von vielen Rekord, die der 1,94 Meter große Profi in den letzten zwei Wochen aufstellte: Er schlug die meisten Asse des Turniers; er ist der erste Spieler mit einer Wildcard, der je ein Grand-Slam-Turnier gewann, und er ist der erste Kroate, der im Südwesten Londons siegte. Dem Sieger gehören die Rekorde, die Pokale und die Glückwünsche - dem Australier Patrick Rafter gehörte gestern das Mitgefühl. "Es hätte heute so oder so ausgehen können", sagte der 28-jährige Tennisprofi. Er verlor zum zweiten Mal hintereinander das Finale bei den All England Championships.

Rafter lag mit seiner Analyse richtig. Denn im Finale, das wegen der Regenpausen am Montag ausgetragen wurde, hatten beide Spieler eine begeisternde Partie geboten. Beide Spieler trieben die Zuschauer auf den Rängen in Ekstase. Aufblasbare Kängurus, Tennisfans in den Nationalfarben grün und gelb auf der einen, sowie rot und weiß auf der anderen Seite, die australische Cricket-Nationalmannschaft und die Prominenz in der Royal Box - alle waren Augenzeugen, als im fünften Satz der mental stärkere Spieler das Match für sich entschied. Goran Ivanisevic gelang das erste Break des letzten Satzes. Er führte damit 8:7. Danach servierte er zum viel umjubelten Turniersieg.

"Für diese Fans spielen wir Tennis", sagte Patrick Rafter später. Der Sieger schob nach: "Es war eine Atmosphäre wie in einem Fußballstadion, das werde ich in meinem ganzen Leben nicht vergessen."

Heiko Hinrichsen

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