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Sport: "Wir haben uns noch nicht aufgegeben"

Alba Berlin gegen Barcelona ohne Aggressivität und Mut zum RisikoVON DIETMAR WENCK Berlin.Nach solchen Spielen stellt sich fast zwangsläufig die Gretchenfrage: War der Gegner nun so stark oder die eigene Mannschaft so schwach?

Alba Berlin gegen Barcelona ohne Aggressivität und Mut zum RisikoVON DIETMAR WENCK Berlin.Nach solchen Spielen stellt sich fast zwangsläufig die Gretchenfrage: War der Gegner nun so stark oder die eigene Mannschaft so schwach? Wenn man sie ein wenig diplomatisch beantworten möchte, kann man sagen, der FC Barcelona spielte beim 95:77 (42:36)-Sieg im Achtelfinal-Hinspiel der Basketball-Europaliga auch deshalb so stark, weil Alba Berlin es zuließ.Aggressivität und mannschaftliches Arbeiten in der Verteidigung, kontrollierter Aufbau und Mut zum Risiko im Angriff waren in den vergangenen Monaten und Jahren die Mittel, mit denen Alba in Europa für Furore gesorgt hatte.Am Donnerstag abend ließ der deutsche Vizemeister dies alles vor 9000 Zuschauern in der Schmeling-Halle vermissen."Wir haben heute genau so gespielt, wie wir es nicht machen dürfen", kommentierte Trainer Svetislav Pesic das Geschehen.Die Chancen, mit einem Erfolg am Dienstag in der katalanischen Metropole ein drittes und entscheidendes Spiel in Berlin zwei Tage später zu erzwingen, sie stehen nicht gut, auch wenn Pesic einschränkt: "Selbstverständlich haben wir uns nicht aufgegeben.Wir müssen uns jetzt regenerieren mit einem Sieg über Bonn." Über Bonn in Berlin nach Barcelona: Heute (19.30 Uhr, Schmeling-Halle) soll die Vorbereitung auf das Rückspiel beim Spanischen Meister also einen Schub erhalten.Die Telekom Baskets Bonn kämpfen in der Bundesliga beim Tabellenführer um ihre letzte Chance, die Play-offs zu erreichen.Viele Beobachter versteiften sich nach dem Donnerstag-Spiel zu der Vermutung, der Gegner vom Rhein werde kräftig büßen müssen für das, was Alba gegen Barcelona widerfuhr."Gutes Spiel gegen Bonn, gute Laune, gutes Training, gute Chancen in Barcelona", lautet kurz und knapp die Wunsch-Vorstellung von Albas Co-Trainer Burkhardt Prigge.Gut gesagt, aber die Bonner mit den Ex-Berlinern Gunther Behnke und Sebastian Machowski werden ihre eigene Philosophie von Gut und Böse haben. Alba Berlin möchte etwas wiederfinden, was auch schon am vergangenen Sonntag bei der Niederlage in Leverkusen wenig zu sehen gewesen war."Uns fehlten die schnellen Gegenstöße, uns fehlten die einfachen Punkte", sagte Pesic, "wir waren im Kopf und in den Beinen nicht fit." - "Nie den richtigen Rhythmus gefunden, nie einen Lauf gehabt", stellte auch Jung-National-spieler Jörg Lütcke fest.Das Publikum wartete förmlich auf eine Situation wie zuletzt gegen Moskau oder Piräus, als Alba mit furiosen Serien Rückstände wettgemacht hatte.Doch kleine Sport-Wunder lassen sich nicht beliebig wiederholen.Aber, vielleicht macht das etwas Hoffnung vor der Reise ans Mittelmeer: Barcelona kann ja auch nicht immer so spielen wie in Berlin. Es kam zeitweise schon einer Demonstration gleich, was die Spanier boten.90 Prozent der Freiwürfe verwandelt, 81 Prozent Trefferquote aus der Nahdistanz, "ich glaube, das ist Europaliga-Rekord", registrierte Pesic kopfschüttelnd.Basketball paradox - bei Alba klappten am besten die Dreier, und aus dieser Distanz haben die Berliner ansonsten die schlechteste Bilanz der europäischen Elite.Dafür hatte Barcelona ein Übergewicht bei den Brettspielern, was die Punkte wie die Rebounds anging.Und die Gäste waren Spitze in der Breite.Sechs von ihnen punkteten zweistellig.Gewiß war daran die Berliner Abwehr mitschuldig."Man kann gegen die nur bestehen mit richtig gutem mannschaftlichen Verteidigungsspiel", sagte Prigge, das heißt, den eigenen Leuten zu Hilfe kommen, Gegner übernehmen.Aber es schien die Angst vorzuherrschen, der eigene Gegenspieler könnte punkten, wenn man ihn einen Augenblick allein läßt.Dieses Risiko muß in Kauf genommen werden, sonst funktioniert die Berliner Abwehrstrategie nicht. Alba Berlin hat oft dann die besten Leistungen gezeigt, wenn es niemand so richtig auf der Rechnung hatte.Das war zuletzt beim überraschenden Sieg in Mailand so und besonders in der Korac-Cup-Saison 1995, als einer frustrierenden 19-Punkte-Niederlage daheim gegen EB Pau Orthez, als jeder am Boden zerstört war und schon alles vorbei schien, ein Triumph in Frankreich folgte und ganz am Ende der Pokalsieg.Nun gut: An solchen Abenden sucht man eben gerne nach Argumenten, warum noch nicht aller Tage Abend sein muß.

DIETMAR WENCK

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