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Sport: Wir sind doch noch wer

Dorfmeisters Sieg mildert Österreichs Schmerzen

Und dann kam Michaela Dorfmeister. Am Mittwoch, kurz vor 13 Uhr, schwang die 32-jährige Österreicherin im Zielhang der Frauen-Abfahrt mit Bestzeit ab. Keine der noch startenden Rivalinnen konnte Dorfmeister mehr überholen und dadurch hatte die Frau aus dem nicht gerade für seine Skisportler bekannten Niederösterreich die olympische Goldmedaille erreicht. Als sie im Österreichischen Fernsehen interviewt wurde, brachte sie vor Rührung kaum einen Satz hervor, doch das fiel fast nicht auf, weil auch der österreichische Reporter vor Euphorie kaum eine Frage stellen konnte. Zu schön war die Geschichte: Dorfmeister hatte trotz ihrer 32 Jahre noch nie eine olympische Goldmedaille geholt.

Ja, der Mittwoch war ein Freudentag für Österreich. Vor allem, weil Dorfmeister die erste Goldmedaille bei diesen Spielen für die Wintersportnation holte. Abends folgte dann sogar noch das zweite Gold: Die Rodler Andreas und Wolfgang Linger siegten im Doppelsitzer. In den Tagen zuvor war in Österreich die Laune noch gesunken. In der Herren-Abfahrt, die bei Olympia eigentlich laut österreichischer Bundesverfassung kein Nicht-Österreicher gewinnen darf, reichte es nur zu Silber für Michael Walchhofer. Ein Franzose hatte ihm Gold weggenommen. Die anderen Abfahrer hatten noch mehr enttäuscht: Hermann Maier war grippegeschwächt schlecht gefahren, noch übler war die Leistung von Fritz Strobl, immerhin Olympiasieger von 2002.

In dieser Tonart waren die Spiele dann weitergegangen: Die Skispringer waren abgestürzt, die Biathleten hatten im ersten Bewerb daneben geschossen, und im zweiten haarscharf zumindest eine Bronzemedaille verpasst. Am Dienstagabend fädelte Benjamin Raich im zweiten Durchgang des Kombinations-Slaloms in Führung liegend ein, und die Goldmedaille, die man laut österreichischer Lehrmeinung Raich eigentlich auch ohne Wettbewerb hätte geben können, holte sich Ted Ligety aus den USA.

Vor Dorfmeisters Sieg hatten die Österreicher also schon begonnen, die Turiner Spiele abzuhaken. Im Staatssender ORF, für gewöhnlich das Zentralorgan des Hurra-Patriotismus, orakelten die Experten bereits vom Pech der Wintersportler, und auch das Massenblatt „Kronen-Zeitung“, das einen Kolumnisten für die Siegesfeiern im Österreicher-Haus abgestellt hat, raunzte bereits: „Wie viel Pech kann man haben?“ Vor Turin hatten die Österreicher schließlich mit bis zu 16 Medaillen gerechnet, die meisten davon in den alpinen Wettbewerben.

Die Siege von Dorfmeister und den Brüdern Linger haben die Laune der Fans schlagartig verbessert. Nun hoffen sie, dass sich doch noch alles zum Guten wendet. Schließlich stehen bei den alpinen Skirennen noch sieben Wettbewerbe an. Auch die Skispringer dürfen noch mehrmals an den Start gehen, und die Kombinierer, berichten Boulevardzeitungen, haben zumindest im Team-Wettbewerb exzellente Chancen. Weil die Konkurrenten aus Norwegen aus Verletzungsgründen kein Team zusammenbekommen.

Markus Huber[Wien]

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