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Sport: Wir sind wir

Bis vor kurzem war das Team Coast praktisch unbekannt, in diesem Jahr startet es bei der Tour de France – wahrscheinlich mit Jan Ullrich

Von Christian Hönicke

und Hartmut Moheit

Berlin. Wovon träumt einer noch, der 18 Modeboutiquen in Nordrhein-Westfalen besitzt? Vom 19. Laden? Günter Dahms, Eigentümer der Mode-Kette Coast, wollte unbedingt zur Tour de France. Deshalb entschloss sich der Radsport-Fan 1999, ein eigenes Team aufzubauen. Knapp vier Jahre später hat Dahms seinen Traum fast verwirklicht.

Als Fünfter der Weltrangliste ist sein Team Coast für die Tour qualifiziert. Es ist mittlerweile die Nummer eins in Deutschland – besser als das Team Telekom, das hinter Gerolsteiner nur noch das drittbeste deutsche Team ist. Das ist doch erfrischend, sagt CoastManager Marcel Wüst.

Allerdings muss der Radsportweltverband UCI am 10. Januar erst noch seine endgültige Zustimmung geben, weil Coast seine Unterlagen erst im letzten Moment einreichte und Gehaltsstreitigkeiten mit den Fahrern Mauro Gianetti, Frank Hoy und Lars Michaelsen hatte, die inzwischen nicht mehr im Team sind. „UCI-Straßenradsport-Koordinator Alain Rumpf klang aber optimistisch“, sagt Wüst. „Ich gehe davon aus, dass es mit der Lizenz und dem Tour-Start klappt.“

Damit wäre auch der Weg frei für Jan Ullrich. „Coast wäre das beste Team für ihn“, sagt Wüst. Sieben Millionen Euro für drei Jahre soll der Rennstall für die einmalige Chance bieten, den Tour-Sieger von 1997 an sich zu binden – inklusive Ullrichs Heimtrainer Peter Becker, seines Trainingspartners Tobias Steinhauser und des früheren Telekom-Sportdirektors Rudy Pevenage. Wie das bei einem Jahresetat von gut zehn Millionen Euro gehen soll? Wüst: „Falls Jan bei uns unterschreibt, haben wir die Zusage eines zweiten Sponsors.“ Ullrich im schwarz-gelben Coast-Trikot wäre der vorläufige Höhepunkt eines im Radsport beispiellosen Aufstiegs.

Ein Aufstieg, der im September 2000 begann. Coast war damals völlig unbekannt, als plötzlich die Stars Alex Zülle und Fernando Escartin bekannt gaben, für das Team fahren zu wollen. Die Szene rätselte, was die beiden zu diesem Schritt getrieben hatte. Die Antwort war einfach: Wolfram Lindner. Dahms hatte den erfolgreichsten Radsporttrainer der Welt verpflichtet. Seine Fahrer holten insgesamt 23 Medaillen bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen.

„Zülle oder Escartin kamen ohne mit der Wimper zu zucken und sagten: Wir fahren für Lindner. Da ging es nicht nur ums Geld“, sagt Lindner. Aber warum ging er selbst zu Coast? Der frühere Nationaltrainer der DDR und der Schweiz hatte den gleichen Traum wie Dahms: „Die Tour de France zu erleben, ist durchaus reizvoll, wenngleich das beim Wechsel nicht mein einziges Ziel war.“

Lindner hat einen Riesenanteil am Erfolg von Coast, sagt Wüst. „Er hat aus dem Nichts eine Spitzenmannschaft aufgebaut.“ Und das in einem unglaublichen Tempo. Nach Zülle und Escartin holte der 61-Jährige weitere bekannte Fahrer wie Aitor Garmendia, Gianetti oder Vuelta-Sieger Angel Casero. Nebenbei baut Lindner junge deutsche Fahrer auf: Thorsten Wilhelms, Raphael Schweda oder Daniel Becke. „Die kriegen wir groß“, pflegt er zu sagen. So wie er in der DDR Olaf Ludwig oder Uwe Ampler groß gemacht hat.

Innerhalb eines halben Jahres wechselte Lindner nahezu die komplette Mannschaft aus, machte aus einer Nachwuchstruppe ein internationales Spitzenteam, das die Katar-Rundfahrt, die Katalonien-Rundfahrt und die Tour de Suisse gewann.

Die Konkurrenz beobachtete die rasante Entwicklung mit Argwohn – besonders die Teams, die seit Jahren den Schritt in die Erstklassigkeit scheuten. Coast sei kein seriöses Team, die Methoden äußerst fragwürdig, hieß es. Wüst antwortet, nein, sie seien einfach nur anders. Er kam vor eineinhalb Jahren zum Team und „war sofort vom Potenzial überzeugt und begeistert davon, dass jemand wie Dahms ein solches Team möglich macht“. Das habe auch den anderen gezeigt, was man erreichen kann. „Wir sind einfach wir selbst“, sagt Wüst.

Das sollen im Juli auch die Letzten erfahren, die mit Coast noch nichts anzufangen wissen. Wüst: „Natürlich gucken wir schon mit einem Auge dahin.“ Dann soll sich der Traum erfüllen – bei der Tour de France.

Christian Hönicke

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