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Sport: „Wir werden, wir müssen siegen“

Portugal hat Angst vor versiegenden EU-Geldern – und vor dem EM-Aus

Dem Mann, der vorwiegend Kettensägen, Rasenmäher und Küchenmesser verkauft, hängt ein rot-grüner Stofffetzen aus der Hosentasche. Rot und Grün, das sind die Farben Portugals. Sein Laden liegt in einer kleinen Nebenstraße des riesigen Platzes Praca da Liberdade im Zentrum Portos. Spricht man ihn vorsichtig auf das Spiel seiner Landsleute morgen gegen Russland an, hört sein Mund unter dem mächtigen Schnauzer nicht mehr auf zu reden. „Was wollen Sie hören? Wir werden siegen, wir müssen siegen.“

Die Stimmung ist aufgewühlt in Portugal. Überall und ständig wird über Fußball gesprochen. Die Mannschaft des Gastgebers muss heute gegen Russland in Lissabon punkten, sollen nicht alle Träume schon in der Vorrunde platzen. Für die Portugiesen ist Fußball eine Glaubensfrage und ein Politikum. Ohne ihre Sendung „Danos da bola“, eine Art Marathon-Version des DSF-Stammtischs, wären sie nicht glücklich. Täglich erscheinen drei Sportzeitungen. Das sind in den Tagen der EM fast 70 Seiten Fußball am Tag. „Scolari befiehlt Härte“, titelt die Tageszeitung „24 horas“. Und in der Sportzeitung „Record“ steht am Tag vor dem entscheidenden Spiel zu lesen: „Wir brauchen Eisbrecher, um die russische Mauer zu bezwingen“ – wie das auch immer gemeint sein mag.

Die Portugiesen haben die Hoffnungen auf eine erfolgreiche EM noch nicht aufgegeben. Noch vor wenigen Tagen beschrieb die „Publico“, eine der größten Tageszeitungen des Landes, die Stimmung in Portugal mit den Worten: „Ein Land am Rande des Nervenzusammenbruchs.“ Nicht, dass die Portugiesen derlei Übertreibungen lieben würden; aber wenig bedrückt ihre Seele mehr als Niederlagen im Fußball.

In ihren Gesprächen klagen die Portugiesen vor allem über die individuellen Fehler ihrer Helden. „Wir wissen, dass unsere Spieler am Ball alles können“, sagt Osorio Gomes. Er wohnt in Porto, ist jetzt 32 Jahre alt und lebte 18 Jahre in Stuttgart. Er sagt, was seinen Landsleuten im Vergleich zu den Deutschen fehlt: „Wir sterben in Schönheit. Das Spiel der Deutschen sieht nicht gut aus, aber es ist wirkungsvoll.“

Stolz erzählt Gomes von den modernen EM-Stadien, die in Größe und Architektur bei vielen Gästen Erstaunen hervorrufen. Noch fragt sich in Portugal niemand, wer die Folgekosten trägt. Die Portugiesen freuen sich, dass Europa in diesen Tagen auf das kleine Land im äußersten Südwesten blickt. Vielleicht kommen die vielen Fußball-Fans später einmal als Touristen zurück. Portugal braucht Geld. Jahrelang haben die Mittel der Europäischen Union geholfen, doch nun haben die Menschen hier Angst, dass das – Geld der EU in den Osten gepumpt wird und für sie nicht mehr viel bleibt. Ihre ganze Hoffnung sind nun Figo und Co.

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