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Sport: Wir Zwerge

Valdas Ivanauskas über den litauischen Fußball, eine Kölner Lehrgangself und seine neue Trainerkarriere

Herr Ivanauskas, vor wem muss die deutsche Nationalmannschaft am Samstag im EM-Qualifikationsspiel in Litauen Angst haben?

Die Deutschen sind klarer Favorit. Im Vergleich zu Deutschland sind wir Zwerge. Wieso sollten die Deutschen Angst haben?

Nun ja, Sie waren zu Zeiten, als Sie noch für Austria Wien oder den Hamburger SV spielten, nicht nur wegen Ihrer Torgefährlichkeit bekannt, sondern für Ihr mitunter überschäumendes Temperament.

Ich erinnere mich. Ich wurde oft vom Platz gestellt.

Müssen wir uns den litauischen Fußballspieler so vorstellen?

Nein, nein. Ich war wohl eher die Ausnahme. Aber keine Angst, das mit dem Temperament hat sich bei mir merklich abgekühlt.

Sie spielen auch nicht mehr Fußball.

Richtig, seit ein paar Monaten ist Schluss. Fußball kann man nicht ohne Emotionen erfolgreich spielen.

Sie sind in Kaunas aufgewachsen. Dort findet das Spiel statt. Was dürfen wir erwarten?

Ich war das letzte Mal vor einem Jahr in Litauen. Ich weiß aber, dass es eine riesige Show geben wird.

Und keiner denkt an 1940, als der junge litauische Nationalstaat und der 1922 gegründete Fußballverband aufgelöst wurden, weil Hitlers Truppen einmarschierten?

Nein, das ist für uns Vergangenheit. Wir Litauer schätzen nicht nur den deutschen Sport sehr, seine großen Erfolge, die Disziplin. Unsere Mentalität ist der deutschen ähnlicher als zum Beispiel der russischen oder polnischen. Das sieht man ja schon daran, dass wir keine kyrillischen Buchstaben haben. Außerdem ist die Hafenstadt Klaipeda, das frühere Memel, fast eine rein deutsche Stadt. Der Krieg ist längst vergessen. Die Litauer sind sehr gespannt auf dieses Spiel, obwohl sie es nicht gewinnen können.

Weil Sie nicht mehr mitspielen?

Ich nehme das mal als Kompliment. Nein, ich habe vor zwei Jahren meine Karriere als litauischer Nationalspieler beendet.

Was halten Sie von der Qualität des Fußballs in Ihrer Heimat?

Na ja – Qualität ist vielleicht nicht das richtige Wort. Vereinzelt gibt es gute Spieler, aber eine richtig starke Mannschaft kriegen wir nicht zusammen.

Weil in Litauen alle Kinder nur Basketball spielen wollen.

Basketball ist klar die Nummer eins in Litauen. Vor allem nach der knappen Halbfinalniederlage in Sydney 2000 gegen die USA. Der größte Star in Litauen ist Arvydas Sabonis, der in der NBA spielt, er ist der litauische Beckenbauer. Die Popularität des Fußballs ist zurückgegangen. Und: Der Abstand zum Fußball wächst.

Woher rührt das?

Ich bin mir nicht ganz sicher. Für mich ist Basketball der intelligentere Sport.

Am Sonnabend geht es um die EM-Qualifikation. Wie weit weg ist der litauische Fußball von einem großen Turnier?

Sehr weit weg. Der litauische Klubfußball ist ja so wie gut wie tot. Der einzige Nationalspieler, der in Litauen sein Geld verdient, ist der zweite Torwart. Das Nationalteam ist heute in der Weltrangliste sogar schlechter als Lettland oder Estland. Früher hätte man mich nachts um drei Uhr wecken können, dann hätte ich diese Nationen alleine weggeschossen. Es ist traurig im Moment. In Deutschland könnte unser Nationalteam vielleicht in der Regionalliga spielen, bestenfalls Zweite Bundesliga – unteres Drittel.

Da könnten Sie mit Ihren 36 Jahren auch noch mithalten, oder?

Wir wollen mal realistisch bleiben. Bis zum Sommer habe ich in Cloppenburg in der Oberliga gespielt.

Das ist ja vierte Liga!

Ja, aber reichen würde es von der Physis her wohl noch für die Regionalliga. Ich habe mich aber entschlossen, Trainer zu werden. Und ich habe das Gefühl, ein guter Trainer zu werden. Jetzt besuche ich einen Trainerlehrer-Lehrgang in Köln.

Sie haben ja ein bestimmtes Motiv. Auf Ihrer Homepage steht, Sie wollen so schnell wie möglich litauischer Nationaltrainer werden.

Das werde ich auch auf jeden Fall, die Frage ist nur, wann. Jetzt aber steht erst einmal das Länderspiel an, das wird der offizielle Abschied von meiner aktiven Zeit. Eigentlich war ja geplant, dass ich die letzten fünf oder zehn Minuten gegen Deutschland spiele, jetzt werde ich aber wahrscheinlich nur ins Publikum winken. Was meine Trainerkarriere angeht: Unser Verband wollte unbedingt, dass ich zusätzlich zu der A-Lizenz, die ich vor zwei Jahren in Hennef gemacht habe, noch diesen Lehrgang mitnehme. Die wissen ganz genau, dass die deutsche Trainerausbildung die beste in ganz Europa ist.

Was wollen Sie als Nationaltrainer bewegen?

Ich habe vor allem einen Plan: die Jugend besser ausbilden zu lassen. Das ist die Basis. Aber schon für die nächsten Jahre bin ich ziemlich optimistisch, denn wir haben viele gute Perspektivspieler in den Juniorennationalmannschaften, vor allem in der U 17. Die meisten von den etwas Älteren spielen schon in der russischen Liga, die konnte ich im Sommer beobachten, als ich in Moskau mein Trainerpraktikum gemacht habe. Ich werde diese jungen Spieler auch einsetzen, das gab es früher nicht. Bevor jemand nicht 21 Jahre alt war, durfte er einfach nicht in der Nationalmannschaft spielen, das muss man sich mal vorstellen.

Beim Trainer-Lehrgang in Köln werden Sie viele ehemalige Spieler treffen.

Klar, zum Beispiel Jörn Andersen, Thomas Kastenmaier, Stefan Studer und sogar zwei Frauennationalspielerinnen, Kerstin Stegemann und Silke Rottenberg.

Die Lehrgangself aus Köln könnte es ja beinahe mit der litauischen Nationalmannschaft aufnehmen.

Keine schlechte Idee. Die Leute würden auch dann ins Stadion kommen. Deutsche Spieler sind bei uns bestens bekannt.

Nichts gegen den Bekanntheitsgrad der Herren Studer und Kastenmaier – aber in Litauen?

In Litauen ist es gar kein Problem, die Spiele der Bundesliga im Fernsehen zu verfolgen. Fast alle haben Kabelfernsehen. Die können sogar das DSF empfangen.

Das Gespräch führten Erik Eggers und Michael Rosentritt.

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