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Sport: Wischen mit Gebrüll

Bei der Curling-EM gibt es mehr Teilnehmer denn je

Zeitweise ist es so still in der Füssener Eissporthalle, dass die wenigen Zuschauer die Steine über das Eis surren hören können – bis das Brüllen wieder anfängt. Dann feuern die Kapitäne der Curling-Nationalmannschaften lautstark ihre Mitspieler an, die die Rutschbahn des runden Granitsteins wie besessen mit ihren Besen bearbeiten. „Ra, Ra, RAAAAA!“, brüllt der Tscheche, „Joók, Joók – Jokjokjokjokjok!“, macht der Norweger.

Seit Samstag wird bei der Curling-Europameisterschaft in Füssen in vielen verschiedenen Sprachen geschrien. 23 Frauen- und 32 Männerteams treten in je einer A- und einer B-Gruppe gegeneinander an. Seit das Fernsehen Curling als telegene Sportart entdeckt hat (Eurosport berichtet live), melden sich immer mehr Länder für die Titelkämpfe an. In zwei Hallen und auf elf Eisflächen geht es auch um die Qualifikation für die Weltmeisterschaft im nächsten Jahr und damit auf längere Sicht auch um das Olympiaticket für die Winterspiele in Vancouver 2010.

Die Partien der B-Gruppe, in denen es um den Aufstieg, aber vor allem auch um den Spaß geht, sehen teilweise weniger Zuschauer, als Spieler auf dem Eis sind. In der kleineren der beiden Eishallen sind nebeneinander auf sechs Bahnen eher unverdächtige Nationen wie Spanien, Griechenland oder Belgien am Start. Ein einsamer polnischer Fan schwenkt seine Landesflagge, mehr um sich warm zu halten als um anzufeuern. Geschrien und gewischt wird trotzdem mit Herzblut. Gerade wirft sich eine Spanierin bäuchlings auf das Eis und brüllt heiser ihrem Stein hinterher. Zwei ihrer Mitspielerinnen versuchen, ihrem „Sí, sí, sí, sí“ oder „Noooooo“ nachzukommen, um den Stein in das Zielfeld zu bringen. Die vierte Spanierin koordiniert die Bemühungen von der anderen Seite. An diesem Tag scheitern die Freundinnen aus Barcelona an Norwegen, beim Stand von 2:9 wirft Spanien den Besen ins Korn.

In der größeren Halle geht es professioneller zu, auch wenn reine Amateure antreten. Schottland, das Mutterland des Curlings, ist mit einem ganzen Trainerstab angereist. Mit Videokamera und Laptop werden die Gegner analysiert. Die rund 20 mitgereisten schottischen Fans singen nach Erfolgen ihrer Mannschaft Siegeshymnen. Eher glühwein- als bierselig und sehr gesittet, der Altersdurchschnitt dürfte um die 60 liegen.

Doch Curling ist durchaus mehr als ein skurriler, kalter und lauter Zeitvertreib. Die Taktik ist hochkomplex, das Zusammenspiel in einem Team muss perfekt aufeinander abgestimmt sein. Deswegen sind die meisten Länder durch eingespielte Vereinsteams vertreten. „An jedem Stein sind immer alle vier Spieler beteiligt“, sagt Andreas Kapp, Vizeweltmeister und Kapitän des CC Füssen – und damit auch der deutschen Männer, für die das Turnier gestern dann allerdings zu Ende war. Nach den deutschen Frauen verpassten auch sie das Halbfinale bei der EM. Das Team um Andreas Kapp verlor das vorentscheidende Duell mit Titelverteidiger Schweiz am Dienstagabend mit 4:6.

Zuvor hatten die Deutschen gegen Titel-Favorit Norwegen beim 5:8 die dritte Vorrunden-Niederlage kassiert. Mit 3:4 Punkten teiltsich Deutschland mit Schweden und Frankreich den sechsten Platz. „Wir sind nicht ganz zufrieden. Einen Sieg mehr hätten wir uns schon gewünscht“, sagte Bundestrainer Oliver Axnick nach dem Spiel der deutschen Männer gegen Tabellenführer Norwegen, der so gut wie im Halbfinale steht.

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