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Sport: WM 2006: Lasst Südafrika das Fußball-Fest! Warum die WM 2006 nicht nach Deutschland gehört (Kommentar)

Warum heißt die Weltmeisterschaft Weltmeisterschaft? Weil sie jedes zweite Mal in Europa stattfindet.

Warum heißt die Weltmeisterschaft Weltmeisterschaft? Weil sie jedes zweite Mal in Europa stattfindet. Das war lange Zeit wirklich so - derzeit ändert es sich gerade. Die Afrikaner zum Beispiel spielen seit ein paar Jahren guten Fußball. Jetzt wollen sie die WM auch mal haben. Eigentlich einleuchtend. Es gibt genau genommen keinen vernünftigen Grund, warum Südafrika die Weltmeisterschaft nicht bekommen sollte. Nur Lobbyismus. Denn die Deutschen - der Kanzler, der Kaiser und das Volk - wollen 2006 die WM haben. Unbedingt. Fast alle hier zu Lande glauben, dass Deutschland die WM braucht. Und auch verdient hat. Stimmt beides nicht.

Die Deutschen haben auch ein paar Argumente auf ihrer Seite. Das erste heißt: mehr Flugzeuge, mehr Autobahnen, mehr Stadien und überhaupt mehr Zivilisation. Das zweite: Die Weltmeisterschaft bringt hier mehr Geld. Und das dritte: noch mehr Geld. Denn in Deutschland gibt es mehr Sponsoren und mehr Zuschauer als in Südafrika.

Das Problem der Deutschen ist, dass Geld zwar die FIFA-Funktionäre beeindruckt, aber ansonsten Geld allein keinen sehr sympathischen Eindruck macht. Und wie unschön die nationale Einheitsfront in der WM-Sache manchmal klingt, konnte man neulich bei einem Fernseh-Interview mit Rainer Holzschuh, dem Chefredakteur des "Kicker", beobachten. Südafrika, sagte Holzschuh, nutzt "brutal" die Tatsache aus, dass in Afrika noch nie eine WM war. So sind sie, die Südafrikaner. Sie wollen einfach nicht einsehen, dass wir ein natürliches Recht auf die WM haben. Und glauben auch noch, dass es gerecht wäre, wenn auch bei ihnen mal eine WM stattfinden würde. Echt brutal.

In ihrer Begründungsnot schrecken deutsche WM-Fans, inoffiziell versteht sich, auch vor entlegenen Argumenten nicht zurück. Zum Beispiel: Dann dürfen wir wenigstens automatisch bei der WM 2006 mitspielen. Ganz falsch. Wenn aus der Nationalelf noch mal was werden soll, braucht sie alles, aber keine unverdienten Geschenke. Eine WM-Teilnahme will erkämpft sein. Ein Sieg gegen Albanien, ein Unentschieden in Finnland - bitteschön, was soll eine deutsche Elf bei einer WM, die das nicht schafft? Die deutsche WM-Bewerbung war von Beginn an falsch. Deswegen musste eine untrainierte deutsche Nationalelf 1999 nach Mexiko fahren, um dort bei einem komplett überflüssigen Turnier, den "deutschen Fußball zu repräsentieren", wie der DFB meinte. Dieser PR-Versuch endete mit einem 0 : 3 gegen die USA. Eine Blamage. Und eine unnötige dazu.

Denn es spricht viel dafür, dass heute die WM sowieso Südafrika zugesprochen wird. Und zwar zu Recht. Die Zukunft des Fußballs liegt eher in Afrika. George Weah, Weltfußballer 1995 aus Liberia, war erst der Anfang. In den hochentwickelten postindustriellen Freizeitgesellschaften hingegen verliert Fußball langsam seine Rolle als unumstrittener Volkssport Nummer eins. Die Fun-Sportarten werden populärer, und mit dem Proletariat wandert die Geschichte vom Malocher, der zum Fußballstar wurde, ins Museum.

Kurzum: Es wäre eine souveräne, lebenskluge Geste gewesen, Südafrika die WM einfach zu überlassen. Leider brutal verpasst.

Stefan Reinecke

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