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Spaniens Rodri in Aktion.

© dpa/Tom Weller

Letzte EM-Woche: Halbfinale und Finale versprechen das Beste, was es in Europa im Fußball gibt

Nach langatmiger deutscher Diskussion um einen nicht gegebenen Handelfmeter und Ärger um diffuse Statements türkischer Fans atmen wir durch. Genießen sollten wir die beste Woche der EM.

Claus Vetter
Ein Kommentar von Claus Vetter

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United by Football, verbunden durch Fußball. So lautet das EM-Motto des europäischen Verbandes Uefa, in den jüngsten Tagen mutierte es beim Turnier in Deutschland zu Zerrissenheit mit Fußball. Da sahen sich viele Fans der deutschen Mannschaft um eine Halbfinalteilnahme betrogen, schrien nach Gerechtigkeit.

Nach dem Aus gegen die Spanier soll Sandro Wagner, Assistent von Bundestrainer Julian Nagelsmann, in die Schirikabine von Anthony Taylor gestürmt sein und ihn dort wüst beschimpft haben. In den sozialen Netzwerken wünschten dem Referee aus England nicht wenige Menschen den schnellen, schmerzhaften Tod.

Theater aus der Kreisklasse. Nur, dass da niemand auf die Idee kommt, eine Petition für ein Wiederholungsspiel zu starten. Die gab es tatsächlich, mit Unterschriften von 345.648 Menschen. Stand Sonntag, mal sehen, wie viele es nach dem Halbfinale sind.

Der türkische Fanmarsch wurde von der Polizei beendet

Die deutsche Verärgerung waberte noch durch den viralen Raum, als der Marsch türkischer Anhänger zum Olympiastadion abgebrochen wurde, weil die Fans mit Ansage nach der Sperre gegen Merih Demiral den Wolfsgruß gezeigt haben. Im Olympiastadien ging die Show weiter beim Viertelfinale gegen die Holländer, vor dem zur Politshow mutierten Spiel wurde vor den Augen von Präsident Recep Erdogan die Hymne des Gegners wie selbstverständlich nieder gepfiffen.

Gut 200.000 Menschen mit türkischem Hintergrund leben in Berlin, in den jüngsten Wochen waren es gefühlt dreimal so viele. Auch wenn der politische Fingerzeig mit dem Wolfsgruß für viele Menschen rechts in eine Sackgasse geführt haben mag, Stimmung haben die viele Fans gemacht, mal mit simpler blanker Freude im Gesicht oder hupend laut beim Autokorso. Die EM war zu hören und zu sehen. Mancher Dönerläden hatte doppelt geflaggt, türkisch und deutsch. Da war mehr Verbundenheit im Spiel als viele es fühlen mögen.

Um 23 Uhr am Sonnabend war dann aber sehr viel Stille im Berliner Westend und nur noch etwas orange Freude (gefolgt von etwas Krawall hier und da in den Niederlanden). Man kann den Deutschen und vor allem Türken jetzt vorwerfen, was man will. Aber immerhin war im Viertelfinale des Turniers von Deutschland Musike drin.

Aber nach der langatmigen Diskussion um einen nicht gegebenen Handelfmeter und dem Ärger um die Fremdnutzung der EM-Bühne für seltsam diffuse politische Statements atmen wir alle mal ganz lang durch. Nun machen England, die Niederlande, Spanien und Frankreich die sportliche Chose unter sich aus.

Vorhang auf für die Woche der Höhepunkte der EM. Die Halbfinalspiele und das Finale versprechen das Beste, was es in Europa im Fußball gibt. Spanien hat es ganz klar verdient, ins Finale zu kommen, das ganze Kollektiv wirbelt. Dass dazu noch ein Leipziger (Dani Olmo) groß aufspielt im Turnier, macht die Bundesliga zu einem Gewinner.

Bei Frankreich gehört mit Dayot Upamecano ebenfalls ein Bundesligaspieler zum Stamm, entscheidend wird wohl werden, wie gut die Franzosen um ihren Maskenkönig Kylian Mbappé die Null verteidigen können.

Im Spiel am Mittwoch sollten mehr Tore fallen. Werden die eher biederen aber gegen die Türkei entschlossenen Niederländer um die ehemaligen Wolfsburger (!) Wout Weghorst und Micky van de Ven (hat gegen die Türkei ein klares Tor verhindert) die Minimalisten aus England fordern oder setzt sich der filigrane König aller Mätzchen auf dem Platz mit seinem formidablen Kapitän durch?

Jude Bellingham und Harry Kane müssen es reißen, denn bislang ist England erst einmal Europameisterin geworden: 2022 gewannen die Three Lionesse. Bei den Männern gab es seit 1966 keinen Titel, das will nicht nur in England so langsam keiner mehr hören.

Die WM in zwei Jahren findet in Mexiko und Nordamerika statt, so nah wie jetzt wird uns der Spitzenfußball für ein paar Jahre nicht mehr kommen. Genießen wir also diese letzte Woche der EM im eigenen Land.

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