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Sport: Wundern an der Weser

Nach dem Sieg gegen Juventus Turin registrieren die Bremer beinahe ungläubig ihre eigene Stärke

Das Spiel war schon seit zwei Stunden beendet, da flimmerten über die Bildschirme in der Business-Loge des Bremer Weserstadions noch die Szenen des Abends. In einer Endlosschleife wurden die Tore von Christian Schulz, Tim Borowski und Johan Micoud zu Werders 3:2 über Juventus Turin wiederholt. Dazwischen zeigten die Monitore Bilder von den anderen Schauplätzen des Achtelfinals der Champions League. Jürgen Born hatte also Zeit, Vergleiche mit den Spielen in London, Glasgow und Amsterdam anzustellen, bevor er um kurz nach ein Uhr versuchte, das Erlebte einzuordnen. „In Europa gibt es derzeit keine Mannschaft, die so kombiniert wie unsere“, sagte der Klubchef und machte dabei nicht den Eindruck, als meine er das im Scherz.

Eigentlich gelten die Bremer als Inbegriff der Bescheidenheit im Fußball. Doch nach dieser Begegnung überwog der Stolz. „Das macht einfach Spaß“, sagte Sportdirektor Klaus Allofs, während Trainer Thomas Schaaf gar nicht wusste, wo er mit seinem Fazit beginnen sollte. „Das wird lange dauern“, sagte Schaaf.

Es war ein Spiel, das in der Tradition großer Bremer Europapokalnächte stand. Der Außenseiter setzte die vorhandenen Mittel optimal gegen Italiens Rekordmeister ein, der daheim überlegen die Liga anführt. Mit offensivem Kombinationsspiel brachten die Bremer die berüchtigte Turiner Abwehr vor allem in der ersten Halbzeit immer wieder durcheinander und hielten die gegnerischen Stars vom Bremer Tor fern. Doch Werder verzettelte sich nicht in Schönspielerei, sondern lieferte zugleich einen beeindruckenden Kampf. Was allein der seit Wochen überragend spielende Torsten Frings an Kilometern absolvierte, hätte für zwei Spiele gereicht.

Der verdienten Führung durch Schulz schien jedoch kein glückliches Ende zu folgen. „Da sitzt du irgendwann auf der Bank und sagst, das kann doch nicht sein, dass du so gut spielst und in Rückstand gerätst“, sagte Schaaf über die erste Wendung des Spiels. Als Turin nach 81 Minuten durch Tore von Pavel Nedved und David Trezeguet plötzlich 2:1 führte, glaubte auch Schaaf nicht mehr an einen Sieg. „Doch die Mannschaft überrascht uns immer wieder“, sagte er. Die späten Tore von Tim Borowski (87.) und Johan Micoud in der Nachspielzeit hatten das Spiel erneut gedreht.

Es gehört zur Philosophie von Schaaf und Allofs, dass sie Werder langsam an die europäische Spitze heranführen wollen. Stets betonen die Bremer, dass jedes Spiel auf diesem Niveau die Mannschaft ein Stück voranbringe und dass mit jedem Jahr in der Champions League die Wahrscheinlichkeit steige, irgendwann mit der Spitze Europas mithalten zu können. Nach dem Erfolg gegen Turin nun wirkte Werder Bremen wie jemand, der mit viel Mühe eine Sprache erlernt und plötzlich erstaunt feststellt, dass er sich schon ganz passabel darin unterhalten kann. „Ich hätte gedacht, man bekommt zwei, drei Chancen und kann vielleicht ein Tor machen“, sagte Allofs. Und Stürmer Ivan Klasnic fand, das alles sei „wie so’n Märchen mit dem Titel ,Scheiße und Juchhu!‘“. Sein Kollege Miroslav Klose erinnerte noch einmal an das Achtelfinale vor einem Jahr gegen Olympique Lyon. 0:3 und 2:7 hatten sich die Bremer damals blamiert. Das sei nun wieder gutgemacht, beschloss Klose. „Wir haben heute gezeigt, dass das damals nicht Werder Bremen war.“

Im Rückspiel wird Werder „das bisher beste internationale Spiel“, wie Schaaf die Leistung vom Mittwoch beurteilte, wiederholen müssen, um eine Chance auf das Viertelfinale zu haben. Doch warum sollte Werder nicht Ähnliches gelingen wie Bayer Leverkusen, das 2002 überraschend ins Finale kam? Der Jubel in der Bremer Kabine vom Mittwoch lässt sich jedenfalls noch steigern. Da sei kein Sekt geflossen, sagte Klasnic: „Wir haben ja nicht die Champions League gewonnen.“

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