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Sport: Zart statt hart

Beim Tabellenletzten Energie Cottbus hat auch der einst so kämpferische Coach Eduard Geyer resigniert

Cottbus. Nach dem Spiel wird oben auf dem Pressepodium immer eine Tasse Kaffee serviert. Die Meisterröstung scheint auf Eduard Geyer, den Cottbuser Trainer, keine anregende Wirkung auszuüben. Im Gegenteil. Wenn die feinen, weißen Dampfsäulen in die Luft steigen, kommt Geyer zu sich. Trotz Koffeinschub wird er ganz ruhig, das Fußballspiel seines FC Energie Cottbus scheint plötzlich Wochen zurückzuliegen.

So war es auch am Sonnabend. Geyer, der sich in den eineinhalb Stunden zuvor die Stimme heiser gebrüllt hatte, redete nun leise und ohne Wut. 3:4 hatte seine Mannschaft gegen 1860 München verloren; die späte Aufholjagd nach einem 0:4-Rückstand war nicht belohnt worden. Geyer sagte müde: „Die Spieler müssen endlich begreifen, dass sie den Kopf auch zum Denken haben. Sonst haben wir bald in der Ersten Liga nichts mehr zu suchen.“ Dieser Satz erzählt viel über die Gemütsverfassung des Cottbuser Coaches. Geyers Kommentar war getragen von Resignation. Wenn der oberste Brüller in Brandenburg nicht mehr brüllt und keine Kampfansagen verbreitet, ist das ein Besorgnis erregendes Zeichen.

Schon vor der Partie gegen 1860 München hatte Geyer erklärt: „Man muss die Öffentlichkeit auf einen Abstieg vorbereiten.“ Die Hoffnung stirbt zuerst in Cottbus, das ist der Eindruck, den Geyer am Samstag vermittelte. In ihm scheint die Erkenntnis gewachsen zu sein, dass die bescheidenen Mittel seines Teams, nämlich rennen und grätschen, nicht ausreichen für einen Verbleib in der höchsten deutschen Spielklasse.

In der vergangenen Saison, als sich Cottbus im gesicherten Mittelfeld tummelte und schließlich auf Platz 13 landete, hatte der 57 Jahre alte Sachse nach Niederlagen immer eine Standarddiagnose parat gehabt: Faulheit, mangelnde Einsatzbereitschaft, konditionelle Defizite. Solche Sätze sind nun von Geyer nicht mehr zu hören. Er hat wohl begriffen, dass sich spielerische Reife und Cleverness nicht antrainieren lassen wie eine große Lunge durch lange Waldläufe.

Eduard Geyer, seit 1994 beim FC Energie im Amt, hat sich gewandelt in den vergangenen Wochen. Bereits im Oktober, als die existenzbedrohende Cottbuser Krise ihren Anfang nahm, hatte Manager Klaus Stabach festgestellt: „Ede wirkt nachdenklich in der letzten Zeit. Die Lage unseres Vereins kratzt schon an seiner Natur.“ Geyer wollte das nicht wahrhaben, trotzig entgegnete er: „Ich bleibe immer ich.“ Und doch hatte die heikle sportliche Lage Anlass zu einer Selbstüberprüfung gegeben. Das Ergebnis war ein sanfter Persönlichkeitswandel.

Eduard Geyer entkrampfte das Training; statt der gefürchteten Ausdauerläufe, nach denen sich früher schon mal Spieler übergeben mussten, ließ Geyer Tennis und Badminton spielen. Er führte Einzelgespräche, organisierte eine Radtour und verzichtete nahezu ganz auf Fußball. Diese Verzärtlichung des Trainingsplans bedeutet eine kleine Sensation. Gebracht hat sie allerdings wenig: Der FC Energie steht noch immer ganz unten im Tabellenkeller; schon sieben Punkte trennen ihn vom rettenden 15. Platz.

Der Hauptgrund für die Cottbuser Krise ist eine verfehlte Personalpolitik. Der Sturm ist überbesetzt mit zweitklassigen Spielern – allein vom spät verpflichteten Paulo Rink geht ein wenig Torgefahr aus. Sollte Cottbus absteigen, wird Eduard Geyer den Klub wohl verlassen nach neun erfolgreichen Jahren. In der Winterpause will er seine Entscheidung bekannt geben, doch eine gewisse Amtsmüdigkeit ist ihm schon jetzt anzumerken. Die großen Ziele hat Geyer aus den Augen verloren, er plant nur noch kurzfristig. Geyer sagt: „Ich will noch zwei, drei Jahre Trainer bleiben, bevor ich in Rente gehe.“

Felix Enderlin

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