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Sport: Zaudern, zittern – weiterkommen

Wenn es ernst wird, ist auf die Nationalelf Verlass: Trotz einer nervösen Vorstellung gewinnen die Deutschen durch ein Tor von Mesut Özil 1:0 gegen Ghana und qualifizieren sich für das Achtelfinale. Nächster Gegner ist am Sonntag England

Sie zitterten, sie zauderten, sie zweifelten – am Ende aber ist die deutsche Nationalmannschaft ihrem Ruf wieder einmal gerecht geworden. „Es war ein enormer Druck da“, sagte Kapitän Philipp Lahm. „Die Mannschaft hat ihm standgehalten.“ Wenn es wirklich ernst wird, ist auf die Deutschen eben Verlass. So war es auch gestern Abend im Soccer-City-Stadion von Johannesburg. Durch einen glücklichen 1:0 (0:0)-Erfolg über Ghana zog die Mannschaft von Joachim Löw ins Achtelfinale der Weltmeisterschaft ein und trifft nun am Sonntag auf England (siehe Kasten unten). Mesut Özil erzielte mit einem feinen Weitschuss den Siegtreffer für die Deutschen. Nach dem Schlusspfiff aber feierte das ganze Stadion. Weil im Parallelspiel Australien Serbien besiegt hatte, stehen auch die Ghanaer trotz ihrer Niederlage in der nächsten Runde, als einzige afrikanische Mannschaft bei der ersten WM auf afrikanischem Boden.

Zwei Änderungen hatte Bundestrainer Joachim Löw nach der Niederlage gegen Serbien vorgenommen: Der gesperrte Miroslav Klose wurde im Sturm wie erwartet vom Stuttgarter Cacau ersetzt; etwas überraschend war es, dass Holger Badstuber seinen Platz in der Startelf räumen musste. Für ihn kam Jerome Boateng zu seinem WM-Debüt. Genauso überraschend war es, dass Lahm auf der rechten Seite blieb und Boateng Badstubers Position links in der Viererkette einnahm – eine ungewohnte, aber keine gänzlich neue Rolle für den Hamburger. In der vergangenen Saison hatte Boateng drei Mal als linker Außenverteidiger für den HSV gespielt.

Obwohl den Ghanaern ein Unentschieden sicher zum Weiterkommen reichte, war es keineswegs so, dass sie sich vor ihrem Strafraum verschanzten. Sie attackierten die Deutschen schon beim Spielaufbau, und weil die Mannschaft von Joachim Löw gewinnen musste und entsprechend offensiv ausgerichtet war, entwickelte sich eine offene, wenn auch ästhetisch nicht allzu anspruchsvolle Begegnung.

Die Deutschen hatten Richard Kingson im ghanaischen Tor als vermeintliche Schwachstelle ausgemacht, also probierten sie es immer wieder mit Schüssen aus der Distanz. Schon in der dritten Minute wagte Cacau den ersten Versuch; sein Schuss aber bereitete Ghanas Torhüter keine Probleme. Gefährlicher war es da schon, als Jonathan Mensah eine Hereingabe von Lukas Podolski auf den kurzen Pfosten des eigenen Tores lenkte – Kingson aber ließ sich nicht übertölpeln.

Auch die Deutschen aber wirkten in der Abwehr nicht immer sicher. Vor allem Per Mertesacker leistete sich einige Fehler, die man von ihm sonst nicht gewohnt ist. Ein Zeichen von Nervosität? „Man merkt schon ein bisschen die Anspannung im Team“, sagte Löws Assistent Hans-Dieter Flick zur Pause. Özil hatte nach einer knappen halben Stunde die beste Möglichkeit, die Nerven zu beruhigen. Nach einem Pass von Cacau lief der Bremer alleine auf Kingson zu. Doch wie schon gegen Australien scheiterte er im Duell mit dem Torhüter.

Kurz darauf hatten die Deutschen großes Glück, dass sie nicht selbst in Rückstand gerieten. Nach der ersten Ecke für Ghana wehrte Philipp Lahm auf der Linie den Kopfball von Asamoah Gyan ab. „Es waren einige Situationen dabei, in denen wir ein bisschen Glück hatten“, sagte Kapitän Lahm. Und die Deutschen schafften es nicht, die Afrikaner dauerhaft unter Druck zu setzen. Ihr Auftritt war zu langsam, zu unkonkret und ohne richtigen Druck. Auch das Spiel ohne Ball wies große Mängel auf. Zudem machte es sich negativ bemerkbar, dass Cacau ein ganz anderer Stürmertyp ist als Miroslav Klose. Seine Spielwiese ist der gesamte Platz, die deutsche Mannschaft aber hätte gestern einen klaren Anspielpunkt in der Spitze benötigt.

Löw trug der Mannschaft in der Pause auf, das Tempo zu verschärfen und mehr in die Tiefe zu spielen. Die Umsetzung aber blieb zunächst mangelhaft. Der Aufbau im Mittelfeld wurde eher schleppender, die Fehler häuften sich, und auch in der Defensive wirkten die Deutschen weiterhin nicht sicher. Die erste Chance der zweiten Hälfte hatten fünf Minuten nach der Pause die Ghanaer – und was für eine! Nach einem langen Pass sah sich Deutschlands Torwart Manuel Neuer Kwadwo Asamoah entgegen, der Schalker entschied das Duell für sich. Nicht auszudenken, wenn die deutsche Mannschaft in ihrem flatterhaften Zustand in Rückstand geraten wären.

Es sah schon danach aus, als müssten die Deutschen auf die Hilfe der Australier im Parallelspiel hoffen, dann aber zeigte Mesut Özil nach einer knappen Stunde, was in ihm steckt. 20 Meter vor dem Tor nahm er einen Pass von Thomas Müller an, er ließ den Ball einmal aufspringen und beförderte ihn dann aus der fließenden Bewegung heraus zum 1:0 ins Netz. Tore schießen kann so einfach sein, zumindest für so einen begabten Fußballer wie Mesut Özil: „Vor mir war keiner, ich hab einfach geschossen, und der Ball ist reingegangen.“

Zwei Unaufmerksamkeiten leisteten sich die Deutschen nach dem Führungstreffer noch in der Abwehr, dann hatten sie die Angelegenheit endgültig im Griff. Trotzdem ereilte die Deutschen noch eine schlechte Nachricht: Bastian Schweinsteiger musste kurz vor Schluss mit muskulären Problemen im Oberschenkel ausgewechselt werden.

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