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Sport: Zu gut, um böse zu sein

Herthas Verteidiger Josip Simunic darf sich längst haarsträubende Fehler wie in Bielefeld erlauben

Berlin - Josip Simunic ist ein zuverlässiger Spieler. In 157 Bundesligaspielen für Hertha BSC und den Hamburger SV hütete er meist robust die Innenverteidigung. Und wenn er selten, aber regelmäßig Fehler macht, ist zumindest seine Reaktion fast schon Routine. Nach dem Spiel marschiert er dann schnurstracks an den Journalisten vorbei mit einem roten Kopf, der viele an Uli Hoeneß erinnert. Am Mittwochabend war es wieder so weit: Simunic hatte beim 2:2 bei Arminia Bielefeld das 0:1 verschuldet, doch der 28-Jährige zeigte sich diesmal gesprächsbereit. „Ich darf da nicht stehen bleiben. Ganz klar mein Fehler“, sprach er mit ruhiger, reuiger Stimme.

Es war die 29. Minute, in der Simunic gepatzt hatte. Er hatte den Schiedsrichter-Assistenten gesehen, der Abseits gewunken hatte. Simunic blieb neben Sibusiso Zuma stehen, der Südafrikaner erzielte völlig unbedrängt einen schönen Treffer. Er zählte, denn Schiedsrichter Michael Kempter hatte nicht gepfiffen. Zu Recht: Der Berliner Dick van Burik hatte den Ball per Kopf verlängert, so dass Sibusiso Zuma nicht im Abseits stand. Die Berliner bedrängten danach das Schiedsrichtergespann, doch der erst 23 Jahre alte Michael Kempter blieb standhaft. Auch in anderen Szenen erwies sich der jüngste Referee der Liga als der beste Mann einer hektischen Partie.

Dieter Hoeneß, der nach dem Spiel in Cottbus wegen der Kritik an Schiedsrichter Lutz Wagner im Mittelpunkt gestanden hatte, sah die Schuld klar bei Simunic. Herthas Manager hatte keine Erklärung für das Fehlverhalten. Dennoch war der Fehler einen Tag später vergessen: „Josip darf solche Fehler machen. Er hat so viele überragende Spiele für uns gemacht.“ Es war eine entscheidende Szene. Hertha gelang zuvor ohne die weiterhin verletzten Yildiray Bastürk und Pal Dardai kein echter Spielaufbau, die Mühen der jungen Ashkan Dejagah und Kevin-Prince Boateng blieben Einzelaktionen. Erst nach der umstrittenen Entscheidung nahm Hertha den Kampf an, spielte den Ball über mehrere Stationen in die Spitze. Mit Marko Pantelics Pfostentreffer hatten die Berliner eine erste Gelegenheit. Der Ausgleich durch Gilberto unmittelbar vor der Pause kam dennoch überraschend. Laut Trainer Falko Götz war es Simunic, der in der Kabine die Mannschaft weiter anfeuerte. Und nach dem Führungstreffer durch Christian Gimenez in der 59. Minute träumten die Berliner schon vom ersten Auswärtssieg seit dem 8. April dieses Jahres. Bis Radim Kucera nach einer Ecke per Kopf den Ausgleich erzielte. „Wenn du auswärts ein Spiel drehst, ist ein Unentschieden zu wenig“, sagte der diesmal blasse Stürmer Pantelic. In der Schlussphase spielten beide Teams zunehmend offensiver, mussten sich jedoch mit dem 2:2 zufrieden geben.

Simunic ging auch nach Spielende in die Offensive, als er den Fehler einräumte. Es war nicht sein erster in dieser Saison. Bereits beim Uefa-Cup-Hinspiel gegen Odense BK leistete er sich ein dummes Eigentor zum 0:1. Das Spiel endete ebenfalls 2:2 – letztlich zu wenig für ein Weiterkommen im Uefa-Cup. Dennoch sieht Götz eine „neue Qualität“ bei Simunic. Früher habe er sich nach Fehlern schon mal hängen lassen. In Bielefeld sei er der Antreiber nach dem Rückstand gewesen. „Es spricht für seine Klasse, dass er noch ins Spiel zurückkam“, sagte Manager Hoeneß. Um seinen Stammplatz muss der 45-malige kroatische Nationalspieler, der schon Ronaldo ausschaltete, ohnehin nicht bangen.

Nun warten die Berliner bereits so lange auf einen Auswärtssieg wie Ronaldo auf einen Treffer für Real Madrid. Doch der kalte Abend in Ostwestfalen, der so ungemütlich für die Berliner begonnen hatte, war letztlich die „Charakterprüfung“, die Hoeneß vor dem Spiel gefordert hatte. Hertha spielte zumindest nach einer halben Stunde Tiefschlaf mutig auf Sieg. Und auch Simunic zeigte, dass er einiges gelernt hat.

Stefan Tillmann

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