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Sport: Zurück im Leben

Eine Hirnblutung beendete Sascha Starkes Handballkarriere – nun treibt er wieder Sport.

Berlin - Als Sascha Starke aus dem Koma erwacht, liegt der schlimmste Tag seines Lebens vier Wochen zurück. Erinnerungen an die Geschehnisse, die sein Leben nachhaltig verändern werden, hat er zu diesem Zeitpunkt nicht. Doch schon seine ersten Wahrnehmungen lassen nichts Gutes erahnen: Starke liegt auf der Intensivstation, um ihn herum piepen medizinische Geräte um die Wette, seine linke Körperhälfte ist komplett gelähmt. „Ich kann mich nur ganz dunkel an diesen Moment des Wachwerdens entsinnen“, sagt der 23-Jährige heute. Die ganze Geschichte wird er sich später von seinen Eltern, seiner Freundin und seinen Mannschaftskollegen erzählen lassen.

Bis zum Abend ist der 3. März 2011 ein ganz normaler Tag für Sascha Starke. Er steht auf, fährt zur Arbeit und verrichtet bei der Polizei in Eberswalde seinen Dienst. Die leichten Kopfschmerzen, die sich bereits am Vortag angedeutet hatten, verdrängt der Sportler. Dabei sind sie die medizinischen Vorboten des Unglücks. „Für mich war das kein Grund, nicht zum Training zu fahren“, sagt er. Also macht sich Starke auf den Weg nach Oranienburg. In der 42 000-Einwohner-Stadt nördlich von Berlin gehört er dem renommiertesten Handball-Verein der Region an, dem Oranienburger HC. Mit 22 Jahren hat Sascha Starke den Sprung in die Regionalliga geschafft. Teammanager Michael Freund beschreibt den Handballspieler Sascha Starke als „bodenständigen, netten Kerl mit einem starken Wurfarm, beliebt bei den Kollegen und im Training immer fleißig“.

Auch am 3. März ist Starke wieder früh in der Halle. Bevor das Mannschaftstraining beginnen soll, geht er mit Teamkollegen in den Kraftraum. Der Rückraumspieler hat bereits etliche Kilos gedrückt, als er plötzlich zusammenbricht. Seine Mitspieler realisieren das Ausmaß des Unglücks schnell. Sie rufen einen Rettungswagen, Starke wird in eine Spezialklinik nach Berlin-Buch gebracht. Diagnose: Hirnblutungen – der Beginn einer langen Leidenszeit.

Fast auf den Tag genau ein Jahr später sitzt Sascha Starke auf der Couch in seiner Charlottenburger Wohnung. Er macht einen aufgeweckten Eindruck, auch körperlich wirkt er den Umständen entsprechend fit: Unter der kurzen Trainingshose spannen sich die Oberschenkel. Starke verschränkt seine muskulösen Arme hinter dem Kopf und wandert mit den Augen in Richtung Zimmerdecke, als reise er kurz zurück ins Jahr 2011. „Ohne das schnelle Eingreifen meiner Mannschaftskollegen würde ich heute nicht so hier sitzen, wie ich hier sitze“, sagt der gebürtige Potsdamer. Ohne seinen Ehrgeiz allerdings auch nicht. „Ich bin immer Sportler gewesen, ich brauche den Wettkampf.“ Obwohl die Ärzte prognostizieren, dass Starke nie wieder Sport treiben kann, gibt er nicht auf.

Einer zehnstündigen Operation folgt ein dreimonatiger Reha-Aufenthalt in Grünheide, bei dem Starke alltägliche Sachen neu lernen muss: aufrecht zu sitzen, eine Gabel zu halten. „Was meinen Sie, wie ich geschaut habe, als ich mir zum ersten Mal wieder allein die Schuhe zubinden wollte?“ Dass er Leistungssport betrieben hat, wirkt sich positiv auf den Genesungsprozess aus. Schritt für Schritt setzten die behandelnden Ärzte die Medikamentendosis herunter. Zu Beginn ist Starke nur eine Stunde am Tag wach, im Verlauf der Reha werden es mehr.

Sechs Monate nach dem Unglück darf er wieder nach Hause. Am schlimmsten ist für den Handballer, dass er sich nicht richtig bewegen kann – und dass es keine Wettkämpfe gibt. Also sucht er nach neuen sportlichen Herausforderungen. „Die Mutter meiner Freundin betreut in Berlin eine Gruppe behinderter Schwimmer, der habe ich mich angeschlossen“, erzählt Starke. Bei der paralympischen Schwimm-EM in Berlin lernt er die Physiotherapeutin des deutschen Teams kennen, sie nimmt sich seines Falles an. Starke lässt sich beraten und merkt schnell, wie gut das Schwimmen seinem Körper tut. Er beginnt, regelmäßig zu trainieren.

Im November 2011 geht er bei den Kurzbahnmeisterschaften der Abteilung Schwimmen des Deutschen Behindertensportverbandes in Remscheid über 50 Meter Freistil an den Start. Acht Monate nach seinem Unglück verpasst er nur knapp eine Medaille und belegt Rang vier. „Mit diesem Ergebnis war ich sehr zufrieden“, sagt Starke, der sein Trainingsprogramm seither weiter intensiviert hat. Ob er jemals wieder Handball spielen kann, ist dagegen ungewiss. Starke ist optimistisch: „Vor einigen Monaten hieß es ja noch, ich könnte meine linke Körperhälfte nie mehr richtig bewegen. Heute geht das. Das Ziel Handball ist aber noch in weiter Ferne.“

Wenn er sich allerdings das Geschenk ansieht, das ihm seine Teamkollegen aus Oranienburg in der Reha-Zeit ans Krankenbett gebracht haben, juckt es schon wieder in den Fingern: Es ist ein Trikot von Johannes Sellin, der bei den Füchsen Berlin spielt. Alle Spieler der Füchse haben darauf unterschrieben. „Ich dachte damals tatsächlich, dass mir der Sellin das Trikot in die Reha gebracht hätte – so verwirrt war ich in dieser Phase“, sagt Starke, „heute kann ich über diese Geschichte schmunzeln.“

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