zum Hauptinhalt

Zwei Monate vor der EM: Wie sich Organisatoren und Spieler vorbereiten: Kleine Stadien, große Sorgen

Mit Grenzkontrollen und fliegenden Drohnen gehen die Schweiz und Österreich gegen Hooligans vor.

Mit Menschenmassen haben sie im EM-Städtchen Klagenfurt schon Erfahrungen gemacht. Am Wörthersee fand zum Beispiel der „Ironman Austria“ statt, und nicht zu vergessen: das Grand-Slam-Turnier der Beachvolleyballer. Also, wo ist das Problem?, fragen die Organisatoren. Exakt zwei Monate sind es noch bis zum Start der Europameisterschaft in der Schweiz und in Österreich. In Klagenfurt wird die deutsche Elf zwei EM-Spiele austragen, eines am 8. Juni gegen Polen und eines am 12. Juni gegen Kroatien. „Echte Top-Lose“, sagt der städtische EM-Koordinator Carlos Fernandez de Retana.

Top-Lose? Na, hoffentlich irren die sich nicht, sagt ein deutscher Polizist, der seit vielen Jahren Hooligans jagt. Im Sommer wird eine deutsche Delegation nach Klagenfurt reisen: Eine zivile Spezialeinheit aus allen Bundesländern, 31 Mann stark, Codename: „SKB-Team“. Das heißt: Szenekundige Beamte. Sie werden ihre Klientel an Zufahrtsstraßen nach Klagenfurt begrüßen, das mit seinen 94 000 Einwohner kleiner ist als Hildesheim. Sie werden die Anhänger im Kneipenviertel beobachten. Und notfalls werden sie blitzschnell ihre Westen mit dem Aufdruck „Polizei“ überziehen und den Schlagstock rausholen.

Die EM-Sicherheitskonzepte stehen inzwischen. Allein in Österreich haben 27 000 Polizisten eine Urlaubssperre erhalten, 3000 Soldaten des Bundesheeres stehen bereit, fast 900 normale Polizisten reisen zusätzlich zur Verstärkung aus Deutschland an. Die Schweiz will sogar ihre 28 Drohnen der Luftwaffe einsetzen, um Staus zu erkennen – und sich zusammenrottende Hooligans. „Denken Sie nur an die WM 1998 oder die EM 2000“, sagt ein Ermittler. Wo habe denn der Krawall der deutschen Szene stattgefunden? In der Hauptstadt? Nein, stets in den kleinen Austragungsorten. Im belgischen Charleroi etwa, und im WM-Städtchen Lens, wo Hooligans den Polizisten David Nivel zum Krüppel prügelten. Zwar wird die Schweiz erst im Herbst 2008 dem Schengener Abkommen beitreten und die Passkontrollen somit nach der EM lockern, „aber alle werden wir nicht abfangen können an den Grenzen“, prophezeit der Polizist. Das gilt auch für die grünen Grenzen Österreichs.

Bislang ist die Sicherheitslage ruhig, die Experten wollen keine Panik verbreiten – ganz so, wie es die deutsche Sicherheitspolitik während des „Sommermärchens 2006“, bei der Weltmeisterschaft, vorgemacht hat. Wer hat schon groß mitbekommen, dass bei einem WM-Spiel in Dortmund 429 Männer von der Polizei in Gewahrsam genommen wurden. „429“, sagt der Fahnder und hebt den Finger, „das waren fast fünf Mal so viele wie beim 1. Mai in Berlin.“ Es gab auch Randale in Stuttgart, Köln und Frankfurt am Main. Die Bilder kursieren im Untergrundfilm „Das andere Sommermärchen“. Damit aber nicht auch noch die Mitläufer animiert wurden, schwiegen Polizei und Politik damals lieber.

Klagenfurt, die Stadt mit dem Schloss am Wörthersee, möchte gern das populärere Sommermärchen der WM nachspielen. In Klagenfurt wird ein Fanfest aufgebaut, mit einer Leinwand wie zur WM in Berlin. In die deutsche Hauptstadt kamen 600 000 Fans. In Klagenfurt fasst die Fanmeile 6000 Anhänger. Eine halbe Million Menschen werde schon nicht kommen nach Klagenfurt, zur Not habe man noch eine Leinwand am Messegelände aufgebaut, sagt Heinz Palme, EM-Koordinator der österreichischen Bundesregierung: „Aber mit mehr als 20 000 deutschen Fans rechne ich schon.“ Andere rechnen mit der doppelten Anzahl. Dabei ist Palmes Prognose gewaltig genug für eine Stadt wie Klagenfurt – das ist in der Relation so, als wären zur Fußball-WM nach Berlin 725 000 Schweden angereist. Das Fußballstadion von Klagenfurt bietet aber nur 30 000 Menschen Platz. Und was machen die anderen, die keine Tickets bekommen haben? Liegen die alle friedlich am Wörthersee in der Sonne?

Noch ist es zu früh, eine klare Prognose zur Sicherheitslage zu erstellen. Problemfans – und davon sind allein in Deutschland gut 8000 registriert – kündigen ihre Reise ja nicht bei der Polizei an. Problemfans haben auch andere Teilnehmer. Darum schickt Kroatien 30 Hooliganfahnder, 25 kommen aus Polen. Und die Schweizer Behörden gehen längst mit aller Härte gegen ihre militante Szene vor, allerdings mit mäßigem Erfolg. Gangs wie die „Basler Bande“ oder „City Boys“ aus Zürich scheinen eine Eskalation anzustreben, kein Wochenende vergeht dort ohne Krawallmeldung. Bislang wütet diese Szene nur im Vereinsfußball. Bislang.

Bei den Länderspielen der deutschen Nationalmannschaft jüngst in Basel und in Wien blieb alles ruhig. Die Fahnder waren da, die Szene kaum. War die Polizei einfach zu clever, oder, wie es Kenner formulieren, wollte keiner der Schläger bei einem Testspiel auffallen, um ja kein Ausreiseverbot im Sommer 2008 zu erhalten? Das fragt sich die Polizei jetzt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false