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Sport: Zwei plus zwei plus viele - Die Änderung ist umstritten - Italienische Gewerkschaft droht mit Olympia-Boykott

Es war keine Schnapsidee, auch wenn der revolutionäre Schritt - laut Protokoll - um 11.11 Uhr beschlossen wurde.

Es war keine Schnapsidee, auch wenn der revolutionäre Schritt - laut Protokoll - um 11.11 Uhr beschlossen wurde. Am 30. November 1998 legte das Central Board, das höchste Gremium des Internationalen Basketball-Verbandes (Fiba), fest, dass zu einem noch zu bestimmenden Zeitpunkt alle Klubteams ihre Spieler ohne Restriktion auswählen können. Offene Grenzen im Basketball also, keine Ausländerbeschränkungen mehr. Früher oder später, so argumentierte Fiba-Generalsekretär Borislav Stankovic, würden Gerichte eh für die absolut freie Wahl des Arbeitsplatzes sorgen. Zum anderen wollte man mit diesem Befreiungsschlag der Mogelei mit Spielgenehmigungen und mysteriösen Einbürgerungen ein Ende machen. "Im Internet wurden sogar EU-Pässe angeboten", sagt Fiba-Sprecher Florian Wanninger.

Die nationalen Verbände lehnten sich jedoch auf. Die "Reichen", weil sie fürchteten, dass sich die Klubs mit billigen Spielern aus den USA und Osteuropa eindecken und dann kaum noch ein Grieche, Spanier, Deutscher, Türke, Franzose oder Italiener im eigenen Land eine Chance hat. Damit würde auch die Nationalmannschaft immer mehr an Niveau verlieren. "Dann kümmert sich niemand mehr um die Ausbildung junger Spieler", mutmaßte Henrik Dettmann, der deutsche Bundestrainer aus Finnland. Die "Armen", gerade im Osten, waren dagegen, weil sie nicht zu Unrecht glauben, dass man sich bei ihnen rücksichtslos aus dem großen Reservoir sehr gut ausgebildeter junger Spieler bedienen wird.

Vorreiter Fiba knickte ein. Vor kurzem wurde eine Öffnung "light" beschlossen, die vom Sommer diesen Jahres an gelten wird. Für die europäischen Vereins-Wettbewerbe wird die Zirkulation europäischer Spieler komplett freigegeben. Was Profis aus anderen Kontinenten betrifft, bleibt es in Europa bei der Ausländerbeschränkung - momentan zwei Spieler. So könnten also in der kommenden Spielzeit Alba Berlin und der FC Barcelona, die sich heute Abend in der Europaliga gegenüberstehen (20.35 Uhr live im Inforadio/22.30 Uhr Ausschnitte in B 1), theoretisch mit zwei US-Amerikanern und acht Russen antreten. Dies ginge aber nur in einem der europäischen Wettbewerbe. Die nationalen Verbände rangen der Fiba nämlich das Recht ab, innerhalb der eigenen Grenzen abweichende Regelungen verfügen zu können.

"Überraschend schnell" sei man dabei in der Arbeitsgemeinschaft Basketball-Bundesliga (BBL) zu einer Entscheidung gekommen, sagt Alba Berlins Vizepräsident Marco Baldi. Die BBL, für die erste Liga zuständig, einigte sich jetzt auf zwei plus zwei plus beliebig viele EU-Ausländer. Soll heißen: Künftig darf ein Verein in der Bundesliga (wie bisher) mit zum Beispiel zwei US-Amerikanern antreten, dazu neuerdings aber auch mit zwei Nicht-EU-Ausländern aus Europa (beispielsweise Jugoslawen oder Russen) sowie - durch das Bosman-Urteil längst festgelegt - beliebig vielen Spielern mit einem EU-Pass. "Man muss sehen, was das für Auswirkungen hat", sagt Roland Geggus, der Präsident des Deutschen Basketball Bundes (DBB). Er ist gegen einen höheren Ausländeranteil in der Bundesliga. Auch die Festsetzung eines Pflicht-Kontingentes an deutschen Spielern sei "in der Diskussion gewesen, aber die jetzige Regelung schien den Klubs ausreichend genug zu sein". In anderen Ländern wird ebenfalls an einem nationalen Sonderweg gebastelt.

Scharfer Protest kommt vor allem von den mächtigen südeuropäischen Spielergewerkschaften. Sie kämpfen für ihre Klientel um den Erhalt der (gut dotierten) Arbeitsplätze. Die in der UGE zusammengeschlossenen Spielervertretungen treffen sich am Wochenende in Barcelona, um über Strategien zu beraten. Die Italiener haben schon gedroht, sollte ihr nationaler Verband keine akzeptable Lösung anbieten, die Nationalspieler zum Boykott der Olympischen Spiele in Sydney aufzurufen. Alle im italienischen Team sind in der Gewerkschaft - und wild entschlossen. Am Meeting in Barcelona wird auch die kürzlich gegründete deutsche Vertretung, "Vereinigung der Basketball-Vertragsspieler" (VBV), teilnehmen. Deren Geschäftsführer Sven Wehrmeyer sagt: "Alle unsere Mitglieder sind mit der Regelung der BBL überhaupt nicht einverstanden." Eine Aussage des VBV-Präsidenten Henning Harnisch macht jedoch deutlich, wie schwierig das Ganze ist: "Da kollidiert das politische Ich des Präsidenten, das sagt, im Interesse der Spieler in der Bundesliga soll es eine Beschränkung von Nicht-EU-Spielern geben, mit dem Ich, das sagt, im Sport sollen die Grenzen offen sein."

Sebastian Arlt

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