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Sport: Zweimal 36 Jahre Sehnsucht

Moculescus Volleyballer wollen zu Olympia

Bernd Zimmermann hat in seiner Eigenschaft als Scout der deutschen Volleyball-Nationalmannschaft schon eine ganze Menge Dienstfahrten hinter sich gebracht. Viele Abenteuer hat der Mann aus Leipzig dabei erlebt, aber so etwas wie vor zehn Jahren in der Türkei ist dem Weitgereisten vorher und nachher nicht widerfahren. Mit Grausen erinnert sich Zimmermann an die Reise nach Antalya, als sich die deutschen Spieler durch ein enges Spalier fanatischer türkischer Zuschauer vom Bus zur Spielhalle kämpfen mussten. Dabei schlug ihnen ein Fanatismus entgegen, der an Hass grenzte. Körperliche Übergriffe, wie sie die Schweizer Fußballer in Istanbul erdulden mussten, habe es damals zwar nicht gegeben, „aber viel hat nicht gefehlt. Uns war allen ganz schön mulmig zumute“.

Beim ersten Auftritt der deutschen Volleyballer im Olympia-Qualifikationsturnier in der Hafenstadt Izmir am gestrigen Abend, den Deutschland 3:2 (25:20, 17:25, 21:25, 25:19, 15:12) gegen die Türkei gewann, stand Ähnliches nicht zu befürchten. Unter der Hallendecke haben die Gastgeber zwar ein Transparent angebracht, auf dem in großen Lettern zu lesen ist: „Wir sind die Champions des Balkan, von Europa und der Welt. Wir sind die Löwen der Netze.“ Doch diese unbescheidene Aussage wird von der Realität nur unzureichend bestätigt. Schon am Montag, bei der 2:3-Niederlage der Türken gegen die Finnen, waren nur wenige hundert Zuschauer im riesigen Halkapinor Spor Salonu – die Anfeuerungen wirkten nicht wirklich furchterregend. Lediglich der Hallensprecher hatte das Publikum immer wieder zum Auspfeifen des Gegners animiert, doch darüber mochte sich Bundestrainer Stelian Moculescu nicht aufregen. „Mich stört das wenig, außerhalb der Kuschelzone Deutschland ist das üblich. Da darfst du nicht so zimperlich sein.“

Seit der Trainer-Guru 1999 auf der deutschen Bank Platz nahm, haben sich die Volleyballer Stück für Stück Richtung Weltklasse geschmettert. Der charismatische Moculescu hat einem verunsicherten Ensemble Strukturen gegeben und ihm den Glauben eingeimpft, Großes leisten zu können. Er ist der Mann, der 36 Jahre Sehnsucht stillen soll.

1972 in München waren deutsche Volleyballer das bislang letzte Mal bei Olympischen Spielen dabei. Das Team aus dem Westen landete damals als Veranstalter auf den hinteren Rängen, während die DDR die Silbermedaille gewann. Seitdem war auch Moculescu nicht mehr bei Olympia: Im gleichen Jahr flüchtete der frühere Spielmacher aus Rumänien nach Deutschland. Fast vier Jahrzehnte lang ist die Teilnahme an den Olympischen Spielen für beide ein unerreichbarer Traum geblieben. Nun soll es also gelingen, und die Zuversicht, dass es dieses Mal klappen könnte, ist greifbar.

Die Aufgabe in Izmir ist allerdings anspruchsvoll, schließlich erhält im Achterfeld mit fast allen europäischen Spitzenteams nur der Turniersieger das Ticket für Olympia. „Wir wissen, wie schwierig es wird, sich in diesem Klassefeld durchzusetzen“, sagt Moculescu. „Wir wissen aber auch, dass wir gegen alle diese Gegner schon mal gewonnen haben.“ Allerdings wäre der Traum, wieder an Olympischen Spielen teilzunehmen, für die deutschen Volleyballer selbst bei einem Scheitern in Izmir noch nicht ausgeträumt. Ende Mai gibt es bei einem Viererturnier in Düsseldorf eine zweite Chance.

Für den 57-jährigen Moculescu könnte sich also auf der Zielgeraden einer langen Laufbahn der Kreis schließen. Doch wenn man ihn darauf anspricht, wiegelt er ab und bittet darum, „die Dinge nicht zu hoch zu hängen“. Lieber spricht er von einer „schönen Geschichte, mehr ist es wirklich nicht. Das Glück meines Lebens ist nicht davon abhängig“.

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