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Familienpackung. Der dreifache Torschütze Raffael (unten) und sein Bruder Ronny, einmal erfolgreich, feiern ihre Treffer. Adrian Ramos (hinten links) freut sich eher still über seine beiden Tore.

©  Mis

Zweite Liga: Hertha schlägt zurück

Beim 6:2-Sieg in Karlsruhe überzeugen die Berliner - Raffael gelingt ein Hattrick, Patrick Ebert ein gutes Comeback.

Der Fußball schreibt die kuriosesten Geschichten, das wird oft und gern erzählt, aber was soll man anderes sagen über diesen Nachmittag im Karlsruher Wildpark? Über diesen 6:2 (0:1)-Sieg von Hertha BSC beim Karlsruher SC, ein Fest des Offensivfußballs mit einer großartigen zweiten Halbzeit. Mit drei Toren des Brasilianers Raffael in 25 Minuten und zweien des Kolumbianers Adrian Ramos, das finale sechste gelang Raffaels Bruder Ronny. Bei drei Treffern hatte Patrick Ebert den Fuß im Spiel, Herthas prominenter Rekonvaleszent, der nach einer Stunde eingewechselt wurde und sein erstes Profispiel seit dem vergangenen Mai absolvierte. „So ein Comeback wünscht man sich natürlich“, sagte Markus Babbel. Herthas Trainer durfte für sich in Anspruch nehmen, alles richtig gemacht zu haben. Ob er schon mal ein Spiel mit sechs Toren in einer Halbzeit erlebt habe? „Ich kann mich nicht daran erinnern“, sagte Babbel, „aber das will nichts heißen, mein Erinnerungsvermögen reicht ja nur für eine Woche.“

Das ist insofern bemerkenswert, weil seine Mannschaft vor einer Woche und einem Tag diese böse und prestigeträchtige 1:2-Niederlage im Lokalderby gegen den 1. FC Union kassiert hatte. Vor 20 823 Zuschauern im Wildparkstadion betrieb Hertha Wiedergutmachung und baute die Tabellenführung in der Zweiten Liga weiter aus. Dazu brillierten die Berliner in der Kunst des Zurückschlagens, im Drehen eines Spiels, als es ganz schlecht aussah, nach einem 0:1-Rückstand kurz vor der Halbzeitpause.

Es war dieses Tor aus Berliner Sicht aus mehreren Gründen denkbar unglücklich zustande gekommen. Hertha hatte sich nach lethargischer Anfangsphase gerade ein gewisses Übergewicht erspielt und dazu einige Torchancen, Ramos und Lasogga scheiterten aus jeweils günstiger Position. Torschütze Andrei Cristea hatte Glück, dass er überhaupt noch dabei war, nachdem er Herthas Innenverteidiger Sebastian Neumann mit einer üblen Grätsche krankenhausreif getreten hatte, wofür Schiedsrichter Markus Wingenbach aus nur ihm ersichtlichen Gründen nicht mal die Gelbe Karte zeigte. Dafür verwarnte Wingenbach den Berliner Raffael, als dieser sich völlig zu Recht über einen Freistoß ärgerte, dem beim besten Willen kein Foul voraus gegangen war. Delron Buckley scherte sich wenig darum und drosch den Ball auf den Leib von Cristea, der ihn unhaltbar für Herthas Torhüter Maikel Aerts zum 1:0 abfälschte. Für den Rumänen, zu Beginn des Jahres von Politehnica Ias verpflichtet, war es im vierten Spiel das erste Tor für den KSC.

Ein paar Minuten zuvor hatte Cristea mit seinem Foul an Neumann Herthas Trainer Babbel dazu gezwungen, seine Aufstellung durcheinander zu wirbeln. Peter Niemeyer zog sich zurück in die Innenverteidigung, seinen Platz im defensiven Mittelfeld nahm Raffael ein, für den Adrian Ramos auf die zentrale Position hinter dem einzigen Stürmer Pierre-Michel Lasogga rückte. Der eingewechselte Ronny, nach seiner schwachen Leistung im Derby wie Stürmer Rob Friend zunächst auf die Bank verbannt, versuchte sich als Linksaußen.

Diese erzwungene Umstellung tat dem Berliner Offensivspiel gut, was sich vor allem am veränderten Auftreten Raffaels bemerkbar machte. Dem Brasilianer behagt das Spiel aus der Tiefe ohnehin mehr als die offensivere Ausrichtung. Den neu gewonnenen Raum nutzte er gleich nach der Pause zum Ausgleich. Am Mittelkreis holte er sich den Ball, spielte Doppelpass mit Ramos und stand plötzlich allein vor Karlsruhes Torhüter Luis Robles. Der Rest war Formsache.

Dann kam Ebert und mit ihm begann der rührselige Teil des Nachmittags. Eine Minute nach seiner Einwechslung für Nikita Rukavytsya wurde der Mittelfeldmann mit schönem Diagonalpass von Ramos freigespielt. Bei seinem ersten Ballkontakt im Profifußball nach neun Monaten und fünf Tagen widerstand Ebert der Versuchung, selbst aufs Tor zu gehen und spielte abermals diagonal zu Raffael, und der musste nur noch ins leere Tor schieben. Das war noch nicht die Entscheidung, aber auch diese wurde herbeigeführt von Ebert, der vier Minuten später mit seinem zweiten Kontakt auf Lasogga spielte, nach dessen Querpass Raffael großartig zum Hattrick vollendete. Auch das 4:1 von Ramos fiel zwanzig Minuten vor Schluss über Eberts rechte Seite, der Kolumbianer musste nach einer Ronny-Flanke nur noch den Fuß hinhalten.

Dass Cristea kurz vor Schluss abermals per Freistoß auf 2:4 verkürzte, nahmen die mitgereisten Berliner Fans gelassen zur Kenntnis, zumal Ramos und Ronny schnell noch zwei Tore nachschoben. Herthas Anhang hatte reichlich Gründe zum Feiern: die Fanfreundschaft mit den Karlsruhern, den höchsten Auswärtssieg der Saison, das grandiose Comeback nach der Derby-Pleite und, natürlich, die wundersame Auferstehung des Patrick Ebert. Ein perfektes Comeback? „Nein“, sagte Ebert, „ich hätte schon ganz gerne selbst ein Tor geschossen.“

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