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Ein Blick in den Lichthof des Auswärtigen Amtes.

© dpa

Im Auswärtigen Amt: Staatssekretäre mit Mission

Markus Ederer und Stephan Steinlein haben als Staatssekretäre im Außenministerium ein ehrgeiziges Projekt: die Neubestimmung deutscher Außenpolitik. Das Duo scheint dafür gut gerüstet zu sein.

Von Hans Monath

Ihr Lebensweg ist denkbar verschieden. Der eine wuchs in der DDR auf, der andere kommt unüberhörbar aus Niederbayern. Und doch wird wahrscheinlich kein anderes Ministerium in Berlin von zwei beamteten Staatssekretären geführt, die sich so nah sind wie Markus Ederer (56) und Stephan Steinlein (52) im Auswärtigen Amt (AA). Sogar ihre Familien sind befreundet. Daraus machen beide kein Geheimnis. Von einer „tiefen beruflichen und persönlichen Verbundenheit“ sprach Steinlein vor seinen versammelten Kollegen im Weltsaal des Amtes, als er und Ederer Ende Januar ihre Antrittsreden hielten.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) beschrieb bei der Gelegenheit sein Verhältnis zu Steinlein mit einem Satz von Cicero, der die amtliche Rangordnung zwischen ihnen quasi außer Kraft setzt: „Verus amicus est tamquam alter idem“ (Ein wahrer Freund ist gleichsam ein zweites Selbst). Zwischen Ministern und ihren Staatssekretären sollte immer ein Vertrauensverhältnis bestehen. Aber eine derart symbiotische Beziehung ist außergewöhnlich.

Seit 14 Jahren arbeitet Steinlein mit dem SPD-Politiker zusammen. Gilt der Cicero-Satz, dann hat Steinlein nicht nur Anteil am gemeinsamen Comeback ins Auswärtige Amt, sondern er wird auch für die umstrittenen Entscheidungen seines Chefs in Mitverantwortung genommen, etwa für das Fallenlassen des Guantanamo-Häftlings Murat Kurnaz oder das Werben um Syriens Machthaber Baschar al Assad in Steinmeiers erster Amtszeit als Außenminister (2005 bis 2009).

Den einen duzt der Minister, mit dem anderen siezt er sich

Steinmeier und Steinlein verbindet neben dem evangelischen Glauben die Skepsis gegenüber dem Grellen und bloß Inszenierten, das den politischen und medialen Betrieb oft dominiert. Dass es dahinter eine Wahrheit gibt, die jenseits der Schlagzeilen wirkungsmächtig bleibt und nur von den Ursachen her bearbeitet werden kann, ist ein Grundpfeiler von Steinleins Politikverständnis. In diesem Sinne wirkte er schon als Pressesprecher des damaligen Chefs des Kanzleramts sowie als sein Büroleiter auf dessen weiteren Karrierestationen als Außenminister und SPD-Fraktionschef.

Stephan Steinlein.
Stephan Steinlein.

© dpa/Soeren Stache

Zur Diplomatie gelangte Steinlein, Sohn eines Superintendenten und entschiedenen SED-Gegners, 1989 über die Gründung der „Stiftung Kreisau für europäische Verständigung“ als Student am evangelischen Konvikt. Ein Jahr später schickte DDR-Außenminister Markus Meckel den 29-jährigen Vikar als Botschafter nach Paris. Doch noch ehe Steinlein sein Beglaubigungsschreiben an François Mitterrand übergeben konnte, ging die DDR mit dem Beitritt zur Bundesrepublik am 3. Oktober unter.

Auch seinen zweiten Spitzenbeamten hatte Steinmeier bereits im Kanzleramt schätzen gelernt, als Ederer nämlich vom Auswärtigen Amt 2002 an den Bundesnachrichtendienst ausgeliehen wurde und als Unterabteilungsleiter für politische und wirtschaftliche Auswertung an einer Schnittstelle von Geheimdienst und Politik wirkte. Nach den Terroranschlägen von 2001 versuchte der Geheimdienstkoordinator Steinmeier damals mit Hochdruck, den deutschen Sicherheitsapparat auf die neue Bedrohung umzurüsten. Anders als seinen Freund Steinlein siezt der Minister Ederer bis heute.

Zuvor war bereits Bodo Hombach aufgefallen, dass der promovierte Jurist zu Höherem berufen war, weil er aus seinem scharfen analytischen Verstand keinen Dünkel ableitet, sondern mit seinem offenen Umgang Menschen überzeugt. Ederer hatte Hombach in dessen Zeit als EU-Sonderkoordinator für den Stabilitätspakt Südosteuropa zugearbeitet.

Markus Ederer.
Markus Ederer.

© dpa/Soeren Stache

Ab 2005 entwarf Ederer als AA-Planungsstabschef für den SPD-Außenminister unter anderem die Energie- und Klimaaußenpolitik und vertrat dann nach gut einem Jahr Arbeit unter Guido Westerwelle von 2011 an als erster Botschafter des neu geschaffenen Europäischen Auswärtigen Dienstes die EU in Peking.

Ederer brachte von dort die Erfahrung mit, dass die Welt von China aus betrachtet völlig anders aussieht und viele in Berlin trotz der Dauergespräche über die Globalisierung wenig Sinn zeigen für die rasanten Veränderungen ringsum. Zusammen mit Steinleins prägender Erfahrung in der DDR, dass eine reformresistente Ordnung schnell vergeht, sind beide für ihr ehrgeiziges politisches Projekt gerüstet, für das sich Steinlein in seiner Antrittsrede gar auf Martin Luthers „ecclesia semper reformanda“ (Die Kirche muss sich ständig erneuern.) bezog.

Beiden geht es wie dem Minister darum, die Definitionsmacht für die Außenpolitik innerhalb der Bundesregierung zu stärken, die neuen internationalen Aufgaben und die Instrumente zu bestimmen. Zugleich deuten Ederer und Steinlein an, dass sie das Ministerium umbauen wollen. Eine neue Abteilung für Cyber- oder eine für Gender-Politik? Kein Gedanke ist tabu. Personell ist das Haus an Schlüsselstellen verstärkt worden – etwa mit der Rückkehr des Diplomaten Martin Kotthaus, der als Sprecher von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) wirkte. Als Leiter der Europa-Abteilung soll er dafür sorgen, dass Schäuble dieses Feld nicht allein dominiert.

Aber auch auf die Macht der Hierarchie werden sie zu achten haben, gerade im weltgewandten und selbstbewussten Auswärtigen Amt. Das Tagesgeschäft kostet viel Energie: die Alarmmeldungen aus Syrien und der Ukraine, das fortdauernde Bemühen um eine gemeinsame Linie in der EU-Außenpolitik, die unabsehbaren Krisenfälle. Gemessen werden die beiden Spitzenbeamten jedoch an den großen Zielen, die sie sich selbst gesetzt haben.

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