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Brandenburg: Adresse unbekannt

ClausDieter Steyer über Wirrwarr bei der Post nach der Gebietsreform ANGEMARKT Wo wohne ich? Die sonderbare Frage stellen sich derzeit tausende Brandenburger, wenn sie auf einen Brief den Absender schreiben oder Freunden, Versandhäusern und Behörden ihre Adresse mitteilen wollen.

ClausDieter Steyer über Wirrwarr bei der Post nach der Gebietsreform

ANGEMARKT

Wo wohne ich? Die sonderbare Frage stellen sich derzeit tausende Brandenburger, wenn sie auf einen Brief den Absender schreiben oder Freunden, Versandhäusern und Behörden ihre Adresse mitteilen wollen.

Schließlich hat ihnen die vor einer Woche in Kraft getretene Gebietsreform vielerorts einen neuen Ortsnamen beschert. Nun leben sie offiziell nicht mehr in Groß Gaglow, sondern in Cottbus, nicht mehr in Ferch, sondern in der Gemeinde Schwielowsee und nicht mehr in Freyenstein, sondern in Wittstock. So besagen es jedenfalls die neuen, wenn auch nicht schon überall aufgestellten Ortsschilder – auf denen der bisherige Name nur ziemlich klein, fast verschämt zu lesen ist.

Nur bei der Post bleibt erstmal alles beim Alten. Sie fordert, dass zunächst weiter die früheren Dorfnamen verwendet werden, will man die Zustellung nicht verzögern. Denn die elektronischen Lesegeräte in den Briefverteilzentren sind auf die ursprünglichen Bezeichnungen programmiert. Und das wird sich so schnell nicht ändern. Denn auch all die nach den Zusammenschlüssen mehrfach vorhandenen Straßennamen haben bei der Technik der Post keine Chance. Eine Postleitzahl – eine Straßenbezeichnung, so lautet die Regel. Nun müssen wohl oder übel zahlreiche Dorf-, Haupt- oder Kirchstraßen umbenannt werden. Erst dann darf auch der neue Ortsname auf den Briefadressen auftauchen.

Auf den ersten Blick könnte diese Verwirrung als Provinzposse abgetan werden. Doch drängt sich der Verdacht auf, dass das Brandenburger Innenministerium als verantwortliche Behörde für die Reform – und ebenso die meisten Kommunalpolitiker – das Adressenproblem ganz bewusst in den Hintergrund gerückt haben. Wahrscheinlich fürchteten sie – nicht ganz unberechtigt – eine noch größere Ablehnung der ohnehin vielerorts umstrittenen Zusammenschlüsse. Die oft zu hörende Klage über den Verlust der Identität hätte ein weiteres Argument erhalten: Erst verschwinden die Namen unserer Dörfer, dann auch noch die unserer Straßen…

Dabei wäre es – zumindest bei den freiwilligen Fusionen, die es ja vielerorts auch gab – ohne Weiteres möglich gewesen, die Straßenumbenennungen vor dem Inkrafttreten der Zusammenschlüsse mit der Kommunalwahl am vergangenen Sonntag zu lösen. Dann gäbe es jetzt statt einer Hauptstraße in Freyenstein, einer in Klein Haßlow und einer in Zempow zum Beispiel eine Freyensteiner Hauptstraße, eine Klein-Haßlower Hauptstraße und eine Zempower Hauptstraße. Alle zu finden in Wittstock.

Nun aber werden sich die neu gewählten Stadt- und Gemeindeparlamente kaum als Erstes mit Stadtplänen beschäftigen und Straßen umtaufen. Da sind die Probleme der Kitas und Schulen, die Wirtschafts-, Sozial- und Wohnungspolitik doch wichtiger. Und die Brandenburger werden noch für länger an ihren Schreibtischen sitzen und darüber grübeln, wo sie denn wohnen – postalisch exakt.

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