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Brandenburg: Asylbewerber: Nach sieben Jahren eine eigene Wohnung

Es klingelt. Drei Kinder springen auf und stürmen zur Sprechanlage.

Es klingelt. Drei Kinder springen auf und stürmen zur Sprechanlage. Der achtjährige Albion ist am schnellsten. "Hallo, wer ist da?", fragt er. Er drückt auf den Knopf und öffnet seinem Freund Ronnie, den er gestern auf dem Spielplatz kennen gelernt hat, die Haustür. Es ist das erste Mal, dass Albion, seine Schwester Albina und der kleine Elton in Deutschland eine Klingel und eine eigene Haustür haben.

Im Februar konnte die albanische Familie Rexhepi aus dem Falkenseer Asylbewerberheim in eine Wohnung umziehen. Nach sieben Jahren in der Bundesrepublik ist für sie im noch laufenden Asylverfahren ein Traum wahr geworden. Insgesamt zehn Asylbewerber-Familien konnten in Wohnungen ziehen - weil der Landkreis Havelland keinen Platz hat, um alle 453 Asyl suchenden Menschen in Heimen unterzubringen.

Auch andernorts in Brandenburg ist es unterdessen möglich geworden, Asyl suchende Familien in Wohnungen unterzubringen. Im Lauf des Monats wird ein Wohnheim im Rathenower Gewerbegebiet Heidefeld einer Industrieansiedlung weichen; im vergangenen Herbst hatte der Kreistag ein leerstehendes Hotel in der Kreisstadt als neues Domizil bestimmt. Doch der Anbieter des Hotels hat keinen Zugriff auf das Haus. Um den vor zwei Jahren pleite gegangenen Hotelbetrieb streiten sich die Gläubiger. Doch die Zeit drängte, eine andere Heim-Lösung war nicht in Sicht. Deshalb entschied Landrat Burkhard Schröder (SPD), dass die "in Familienverbänden lebenden Asylbewerber ab vier Personen" in den größeren Städten des Havellandes in Wohnungen leben können. Die allein lebenden Ausländer werden auf Heime in Rathenow und Falkensee verteilt. "Zur raschen, notgedrungenen Alternativlösung kam der politische Wille hinzu, hier im Landkreis ein Signal zu setzen", sagt die Ausländerbeauftragte Gabriele Steidl. Im Bundesgesetz wird den Landkreisen vorgeschrieben, in der Regel Asylbewerber in Wohnheimen unterzubringen. Doch "in der Regel" kann verschieden interpretiert werden. "Schon seit Jahren bringen wir Personen oder Familien, für die aus Sicht des Amtsarztes ein Leben im Heim aus psychischen Gründen nicht zuzumuten ist, in Wohnungen unter", sagt die Ausländerbeauftragte.

Das Leben in Heimen ist nicht leicht. Dies weiß auch die Familie Rexhepi. "Es war für mich hier in der neuen Wohnung ganz ungewohnt, plötzlich nachts so ruhig zu schlafen. Im Heim ging es manchmal zu wie auf einem Flohmarkt", erinnert sich Kimete Rexhepi. Gemeinschaftlich wurden dort nicht nur Küche und Waschräume genutzt. "Cool finde ich, dass wir jetzt unser eigenes Klo mit Schlüssel haben", freut sich Albion. Für Kimate und ihren Ehemann Nusret waren die sieben Jahre, die sie auf 35 Quadratmeter mit den drei Kindern leben mussten, an manchen Tagen eine harte Prüfung. "Jetzt kann ich mich am Abend auch mal zurückziehen und ganz in Ruhe in unserem Wohnzimmer ein Buch lesen."

Ende Februar wurden die letzten fehlenden Second-Hand-Möbel im renovierten Plattenbau für die kosovarische Familie zusammengeschraubt. Seit Anfang März ist für die zehn Falkenseer Asyl-Familien eine mobile Betreuung organisiert. Ein Sozialarbeiter fährt im Havelland herum und kümmert sich um sie.

Für den Kreis rechnet sich das Wohnungs-Modell: "Die Aufwendungen für Wohnen, Verpflegung und Betreuen sind dabei nicht höher als bei einer Unterbringung im Heim", sagt Kreissprecherin Annett Kleinke. Die Ausländerbeauftragte betont die positiven Aspekte der neuen Lösung: "Das bringt nur Vorteile. Es wird gut für die Havelländer sein, mit Menschen aus anderen Ländern Tür an Tür zu leben", sagt Gabriele Steidl. Auch die Asylbewerber gewännen so mehr Selbstständigkeit. Dabei müssen die Verantwortlichen im Havelland das Rad gar nicht neu erfinden. Ähnliche Modelle gibt es schon im Land Brandenburg. Vorreiter war die Landeshauptstadt Potsdam. In Cottbus werden derzeit 200 Menschen auf einmal in Wohnungen untergebracht, sagt Stadtsprecher Peter Lewandrowski. "Wir haben ähnliche Probleme wie im Havelland, weil wir Heime aufgeben müssen; allerdings in einer viel größeren Dimension. Dennoch müssen wir den Zustand der Ghettoisierung von Asylbewerbern abschaffen."

Dorothea Flechsig

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