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Brandenburg: Aus der Flut nichts gelernt

KOMMENTAR von Claus-Dieter Steyer

Die Idee zur Abwehr des nächsten Jahrhunderthochwassers an der Oder klingt verwegen: Entlang unbewohnter Gebiete werden gleich bei der Erneuerung der Deiche mehrere Löcher für Sprengsätze gebohrt, um die Dämme im Katastrophenfall sofort sprengen zu können. Die Fluten sollen sich dann bis zu einem Hinterlanddeich über weite Flächen ergießen, um dem Strom seine Wucht zu nehmen und Ortschaften vor einer Überschwemmung zu bewahren. Doch der Plan hat einen entscheidenden Haken: Es gibt entlang der Oder genau wie an der Elbe kaum menschenleere Gegenden. Diese müssten erst durch Umsiedlungen geschaffen werden. Auch Datschenbesitzer, Bauern, Fischer, Angler und Jäger beharren auf ihren angestammten Rechten und leisten Widerstand. Kaum jemand will freiwillig weichen.

So hat die nach den Fluten von vor zehn und fünf Jahren auch in Brandenburg eindringlich erhobene Forderung, den Flüssen endlich mehr Raum zu geben, so gut wie keine Folgen gezeitigt. Lediglich in der Prignitz im Nordwesten Brandenburgs und in einem kleinen Gebiet in Sachsen-Anhalt laufen Vorbereitungen auf eine Verlegung der Hauptdeiche ins Landesinnere. Dabei sollten sich ursprünglich an insgesamt 16 Stellen die Bagger drehen. Stattdessen werden die Dämme entlang von Elbe und Oder für eine Millionensumme immer höher gebaut. Aber niemand weiß, wie heftig das nächste Hochwasser ausfallen wird und ob die Höhe der Deiche dann angesichts der neuen Dämme in Polen und entlang der Elbe wirklich ausreicht.

In Brandenburg waren sich Einwohner und Experten nach der Oderflut im Juli 1997 sogar einig, die überflutete Ziltendorfer Niederung nicht wieder zu besiedeln. Auch für das nur knapp einer Katastrophe entgangene Oderbruch, das hinter dem Deich wie eine Badewanne liegt, gab es Überlegungen zur schrittweisen Räumung.

Doch die Menschen verdrängen die Möglichkeit einer neuen Katastrophe, und so wurde keiner dieser Pläne umgesetzt. Seit sieben Jahren wird beispielsweise in der Neuzeller Niederung bei Frankfurt (Oder) über eine Umsiedlung von 350 Kleingärten diskutiert. Ihr jetziger Standort würde im Katastrophenfall absichtlich überflutet werden, um die größeren Städte flussabwärts zu schützen. Doch die Debatten ziehen sich endlos hin. Erst in weiteren sieben oder gar erst zehn Jahren – und das sind die optimistischen Einschätzungen – ist mit einem Ergebnis zu rechnen. Bis dahin aber könnten schon mehrere weitere „Jahrhunderthochwasser“ die Region heimgesucht haben. Vielleicht sollten sich die damit befassten Mitarbeiter vom Landesumweltamt doch mal bei den Fachleuten für den Lausitzer Bergbau oder den Flughafen Schönefeld umhören. Dort gelingt die Umsiedlung von Einwohnern, auch wenn dafür Gerichtsverfahren und -urteile erforderlich sind. Im Sinne der Allgemeinheit muss sich der Staat hin und wieder über die Interessen Einzelner hinwegsetzen.

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