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Brandenburg: BSE: Birthler: Tests für alle Schlachtrinder

Nach dem Bekanntwerden des möglicherweise ersten Falles der Rinderseuche BSE bei einem in Deutschland geborenen Rind will das Land Brandenburg am 1. Dezember mit BSE-Schnelltests beginnen.

Nach dem Bekanntwerden des möglicherweise ersten Falles der Rinderseuche BSE bei einem in Deutschland geborenen Rind will das Land Brandenburg am 1. Dezember mit BSE-Schnelltests beginnen. Insgesamt sollen zunächst bis Ende 2001 rund 7000 verendete oder notgeschlachtete Rinder im Alter von mehr als 30 Monaten kontrolliert werden, teilte das Agrarministerium in Potsdam mit. Die Kosten in Höhe von ein bis zwei Millionen Mark pro Jahr wird zunächst das Land tragen. Am 1. Dezember - also einen Monat vor dem von der EU beschlossenen Stichtag - soll zunächst in Frankfurt (Oder) mit BSE-Schnelltests begonnen werden. Brandenburg verfügt über zwei staatliche Untersuchungsämter - in Frankfurt (Oder) und in Potsdam. Nach Angaben von Brandenburgs Agrarminister Wolfgang Birthler (SPD) würden Flächen deckende Tests die Kosten pro Kilogramm Rindfleisch um 20 bis 30 Pfennige erhöhen.

Die tatsächlichen Kosten dürften indessen höher liegen, da noch Geld für die Auszeichnung der Fleischwaren hinzukommt. Ziel müsse es aber sein, alle Schlachtrinder zu testen, betonte der Minister. Nach Angaben von Ministeriumssprecher Jens-Uwe Schade hat die EU signalisiert, die Materialkosten für die Tests zu übernehmen. Die restlichen Kosten werden nach seiner Einschätzung auf die Verbraucher abgewälzt. Bisher habe keiner der in diesem Jahr an so genannten auffälligen Tieren in Brandenburg vorgenommenen Tests ein positives Ergebnis gebracht, erläuterte Birthler. Gleichwohl könne niemand ein verseuchtes Rind ausschließen: Das Problem bestehe darin, dass BSE-Tests bisher nur stichprobenartig und nur an toten Tieren vorgenommen würden. Tests an lebenden Tieren würden erst noch entwickelt. Die Tests machen zudem nur bei älteren Rindern Sinn, weil der Erreger bei Jungtieren nicht festgestellt werden kann. Erschwerend hinzu kommt die rund zweijährige Inkubationszeit.

Dem Beschluss des Ständigen EU-Veterinärausschusses zufolge werden vom 1. Januar 2001 an zunächst alle verendeten oder notgeschlachteten Rinder im Alter von mehr als 30 Monaten auf BSE getestet. Davon gibt es EU-weit etwa 500 000 Tiere. Vom 1. Juli an werden die Tests dann im Prinzip auf alle mehr als 30 Monate alten Schlachttiere ausgeweitet. Nur wenn ein Land zweifelsfrei nachweisen könne, dass in der ersten Testphase keine BSE-Fälle entdeckt wurden, könne man sich dort eventuell mit Stichprobentests zufrieden geben, hieß es.

"Wenn wir alle Schlachtrinder testen müssen, würde es ein gigantisches Unternehmen werden", sagte der Referatsleiter Lebensmittelüberwachung im Potsdamer Agrarministerium, Lutz Desselberger. Allein in Brandenburg müssten dann jährlich etwa 25 000 bis 30 000 Tiere überprüft werden. Die logistischen Fragen seien zwar geklärt, offen sei aber die Finanzierung.

Nach Angaben des größten Rinderzucht-Verbandes in Brandenburg - der Rinderproduktion Berlin-Brandenburg GmbH in Werder (RBB) - sind die Erzeugerpreise für Schlachtkühe durch die BSE-Diskussion vor allem in den vergangenen 14 Tagen stark gesunken. RBB-Geschäftsführer Bernd Adler erklärte für die rund 800 Mitgliedsbetriebe seines Verbandes (rund 1500 gibt es in der Mark insgesamt), BSE-Freiheit bei den Rindern in Brandenburg könne nicht garantiert werden, "das Gegenteil aber auch nicht". Wolle man BSE völlig ausschließen, müsse es in allen Betrieben mit Viehzeug "zugehen wie in einem Dopingverfahren". Adler sagte, BSE-Schnelltests seien zu befürworten, viele Gefahren würden aber herbeigeredet. Birthler sagte sogar, er gehe davon aus, dass die deutschen Rinderbestände "sehr sicher" seien. Gleichwohl müsse mit einem "geringen Risiko" gerechnet werden.

Nach Angaben des Rinder- und Besamungs-Vereins e.V. mit Sitz in Dedelow produzieren rund 100 000 Mutterkühe - über ihre Kälber - Fleisch in der Mark. Mit der Zahl der Mutterkühe liege die Mark bundesweit an der Spitze. Eckhardt Kirst, Geschäftsführer des Vereins in der Uckermark, erklärte zur BSE-Diskussion, "die Bestimmungen müssten sichtbarer sein". Der Kunde müsse in den Lebensmittelläden und Fleischereien sehen können, woher das Fleisch stamme. Staatliche Kontrollen müssten dazu führen, dass die geltenden Bestimmungen der Veterinärämter für die Tiermehlproduktion auch eingehalten würden. Er sehe Brandenburg aber noch "auf der sicheren Seite", versicherte Kirst.

Brandenburgs Landwirtschaftsminister Birthler sprach sich gegen Insel- und für europaweite Lösungen des BSE-Problems aus. Allerdings dürften die Kosten nicht allein dem Verbraucher aufgebürdet werden, weil dies auf den Verzehr und damit auf die Bauern zurückschlagen könne. Ein noch größeres Kostenproblem würde laut Birthler mit dem von der Bundesregierung geplanten Verbot von Tiermehl entstehen: Zum einen fehle ein preisgünstiger Ersatz für das eiweißhaltige Futter. Milchpulver sei sehr viel teurer. Zum anderen entstünden erhebliche zusätzliche Kosten für die Beseitigung der Kadaver und Schlachtabfälle. Birthler äußerte sich deshalb eher skeptisch zu den Plänen der Bundesregierung, Tiermehl für alle Tiere zu verbieten. Es besteht der Verdacht, dass über Tiermehl der Rinderwahnsinn (BSE) verbreitet wird. Brandenburgs Bauernverband sieht einem möglichen Verbot von Tiermehl zur Verfütterung gelassen entgegen. "Es geht auch ohne", sagte Präsident Heinz-Dieter Nieschke für seine 4000 Mitglieder am Freitag nach einer Klausurtagung seines Verbandes in Neuseddin (Kreis Potsdam-Mittelmark).

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