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Brandenburg: Cottbus: Die große Angst vor alten Seilschaften

Der Mann möchte auf keinen Fall namentlich erwähnt werden. "Es gibt hier Vernichtungsstrategien", sagt der Cottbuser Kommunalpolitiker, "die Situation für die Stadt wird immer bedrohlicher".

Von Frank Jansen

Der Mann möchte auf keinen Fall namentlich erwähnt werden. "Es gibt hier Vernichtungsstrategien", sagt der Cottbuser Kommunalpolitiker, "die Situation für die Stadt wird immer bedrohlicher". Was er berichtet, fügt sich mit Aussagen anderer Gesprächspartner zu einem trüben Diagramm: Auf drei Ebenen agieren in Cottbus Ex-Stasi-Leute sowie frühere Mitglieder von SED und Blockparteien. Manchmal gegeneinander, oft miteinander. Da ist die vom Tagesspiegel dokumentierte Bedrohung von Simone Wendler, Chefreporterin der "Lausitzer Rundschau", nur ein Scharmützel. Wie der Medienkrimi, den der lokale Fernsehsender "Lausitz TV" und das Anzeigenblatt "Der Märkische Bote" gegen Wendler führt. Scharmützel im Ringen um Macht und Geld.

Auf der Ebene krimineller Machenschaften nach alter Stasi-Manier - Einbruch, Denunziation, Bedrohung, Verfolgung, Observation, Verleumdung und weitere Methoden zur Zermürbung von jedem, der sich in den Weg stellt. Die zweite Ebene ist die Wirtschaft. Das Zusammenwirken alter Seilschaften zur gegenseitigen Bereicherung lässt sich vor allem am Schicksal der städtischen Wohnungsgesellschaft GWC ablesen, die jahrelang geplündert wurde. Die dritte Ebene ist die Parteipolitik. Auch da wird rüde um Posten und Einfluss gekämpft. Ein Politiker, der ebenfalls seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, zieht ein drastisches Fazit: "Die Stadt ist verrottet."

Stundenlang observiert

An der "Lausitzer Rundschau" wird exerziert, was Gegner zu erwarten haben, die sich weder kaufen noch einschüchtern lassen. "Es begann damit, dass wir plötzlich von mehreren Leuten gefragt wurden, ob Simone Wendlers Recherchen nicht zu gefährlich sind", beschreibt Chefredakteur Herbst die "erste Stufe der Eskalation". Es folgten direkte Warnungen. Derweil waren ehemalige MfS-Spezialisten nach Cottbus gekommen, um Herbst und Wendler zu observieren. "Stundenlang saßen Leute in wechselnden Autos vor meiner Wohnung", sagt Herbst. Anschließend wurde das Gerücht gestreut, der Chefredakteur habe ein Verhältnis mit einer leitenden Justizbeamtin, die ihm Material zuspiele. Als die Berichterstattung sich nicht änderte, wurde in Herbsts Wohnung eingebrochen. Ohne dass irgendetwas verschwand.

Das war eine Machtdemonstration, meint Herbst, wie auch die Enttarnung eines "Rundschau"-Redakteurs als früherer Stasi-Spitzel. "Da hat offenbar ein ehemaliger IM-Führer bewusst einen IM hochgehen lassen, um uns zu zeigen, wozu sie fähig sind", sagt Herbst. Der enttarnte Spitzel ist Klaus Wendler, Ex-Ehemann von Simone Wendler. Seit 1982 sind sie geschieden. Doch passend zur Enttarnung mutmaßte das Anzeigenblatt "Der Märkische Bote", die Chefreporterin könnte von den "Erfahrungen" ihres früheren Mannes profitiert haben.

Auf der Ebene der Wirtschaft fällt zunächst auf, dass ehemalige Stasi-Leute größere Firmengeflechte aufbauen konnten. Helmut Rauer ist an etwa einem Dutzend Unternehmen beteiligt, teilweise in leitender Position. Dem Ex-Stasi-Offizier gelang es auch, die Spitze der Cottbuser Wirtschaft einzubinden: Jürgen Kothe, Präsident der Industrie- und Handelskammer, sitzt im Aufsichtsrat der "GEMAG Gebäudemanagement Aktiengesellschaft", neben Rauer. Außerdem ist dieser - als stiller Teilhaber - an der Firma des Präsidenten der Handwerkskammer, Werner Schröter, beteiligt.

Bevorzugter Partner: "IM Emil"

Eines der Unternehmen in Rauers Imperium hat von den Machenschaften profitiert, unter denen die kommunale Wohnungsgesellschaft GWC zu leiden hatte. Doch der Skandal reicht weit darüber hinaus. In einem vertraulichen Bericht der Hamburger Wirtschaftsprüfer Ernst & Young heißt es, die (inzwischen abgelösten) Geschäftsführer Joachim Käks und Günter Thiessat "verletzten wiederholt die ihnen obliegende Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft". Ein Beispiel: Bei der Vergabe von Wartungs- und Reparaturarbeiten für die Aufzugsanlagen in GWC-Gebäuden wurden "mittelbar wiederum die bereits in anderen Bereichen hinter den Auftragnehmern stehenden Personen Lothar Hilke und Martin Hesse sowie Gerhard Schnapke bevorzugt". Lothar Hilke war einst stellvertretender Leiter der Stasi-Kreisdienststelle Cottbus. Der Bauunternehmer Gerhard Schnapke hat für die Stasi gespitzelt - als "IM Emil".

Bleibt die Ebene der Parteipolitik. Ein halbes Jahr vor der Oberbürgermeister-Wahl sind CDU und SPD in desolatem Zustand. Bei den Christdemokraten galt Joachim Käks als Nachfolgekandidat für den seit 1989 amtierenden Waldemar Kleinschmidt. Das hat sich mit dem GWC-Skandal erledigt. Im Gespräch für den OB-Posten ist auch der CDU-Landtagsabgeordnete Burkhard Schöps. Doch er wird intern attackiert - von Anhängern Schnapkes, des einstigen "IM Emil".

Die SPD steht nicht besser da. Ein Kommunalpolitiker erzählt, nach dem obligaten "nennen-Sie-nicht-meinen-Namen", was ihm widerfuhr. "Ich sitze abends in einer Kneipe, unterhalte mich, fahre dann nach Hause. Unterwegs klingelt mein Handy. Von der Mailbox wird ein Mitschnitt des Gesprächs abgespielt, das ich zuvor am Kneipentisch geführt habe. In dem Moment, in dem ich zu Hause die Tür öffne, klingelt das Telefon. Eine männliche Stimme rät mir zurückzutreten. Wenn nicht, bekomme ich Maßnahmen aus dem Polizeikatalog zu spüren." Der SPD-Mann holt Luft. "Dann würde in meiner Wohnung Rauschgift gefunden."

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