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Brandenburg: „Das war ein Angriff auf unser Lebensgefühl“

Oberbürgermeister Jann Jakobs rief zu Zivilcourage auf. Tausende Potsdamer demonstrierten gestern Solidarität mit Ermyas M.

Potsdam – Mit bunten Schals und vielen Transparenten haben am Freitagnachmittag mehr als 4000 Potsdamer Solidarität mit dem Deutsch-Äthiopier Ermyas M. bekundet. Der dunkelhäutige Potsdamer war bei einem rassistischen Überfall am Ostersonntag schwer verletzt worden und schwebt weiter in Lebensgefahr. Bei der Kundgebung unter dem Motto „Potsdam bekennt Farbe“ rief Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) zu Zivilcourage auf. „Wir stellen uns der Gewalt und dem Hass entgegen“, sagte er. Der Angriff auf Ermyas M. „war ein Angriff auf das Lebensgefühl aller Bewohner Potsdams. Es war ein Angriff auf unser Selbstverständnis.“

Viele Teilnehmer der Kundgebung auf dem Luisenplatz hatten sich Schals – gelbe, blaue oder grüne – mit dem Kundgebungsmotto gekauft und so für den 37-jährigen Ermyas M. gespendet. Der evangelische Superintendent Bertram Althausen verlas eine Botschaft der Familie des Opfer, dass ihr die Kundgebung Kraft gebe, „an die Menschen in diesem Land zu glauben.“ Die Familie wandte sich zugleich gegen eine Verharmlosung dieses „Verbrechens gegen Menschlichkeit und friedliches Miteinander“.

Nach den Worten des stellvertretenden Direktors des Leibniz-Instituts für Agrartechnik Potsdam-Bornim und Doktorvaters des Opfers, Martin Geyer, wurde der seit 20 Jahren in Deutschland lebende Ingenieur „nur wegen seiner schwarzen Hautfarbe“ brutal niedergeschlagen. Im Raum Potsdam seien etwa 300 bis 500 ausländische Mitarbeiter in der Wissenschaft tätig. „Wir brauchen sie und sind stolz auf sie.“ Großen Beifall erntete Geyer für seine Forderung nach „etwas weniger Spaßbad und etwas weniger Stadtschloss“ und dafür mehr Geld für Jugendarbeit.

Die linke Szene in Potsdam versucht inzwischen ihrerseits, sich ein Bild von den Verhafteten zu machen. Während über den 29-jährigen Björn L. – wegen seiner hellen Stimme auch „Piepsi“ genannt – nur bekannt sei, dass er in einem Babelsberger Café arbeite, sei der 30-jährige Thomas M. bei den Linken berüchtigt, sagte eine Sprecherin der AK Antifa Potsdam. „Es ist hier allgemein bekannt, dass M. zur rechten Szene gehört und Menschen einschüchtert, bedroht und eben auch äußert gewalttätig überfällt.“ Zurzeit würden linke Gruppen aus Berlin und Potsdam bereits Fotos abgleichen – und offenbar nicht nur Fotos von M.: Nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes und des polizeilichen Staatsschutzes sammelt die linke Szene bereits Adressen und Fotos bekannter Rechtsextremisten. Sicherheitskreise befürchten nun Racheakte für den Mordversuch an Ermyas M.. Besonders für den Fall, dass das Opfer nicht überleben sollte, werde mit einer gewaltsamen Eskalation in Potsdam gerechnet, hieß es gestern aus der Verfassungsschutz-Abteilung des Innenministeriums in Potsdam. Die linksextreme Szene in Potsdam und Berlin organisiere bereits bundesweit Unterstützung. Die Rechten, so hieß es, sollten gewaltsam aus der Stadt vertrieben werden. Aus der Potsdamer Antifa wurde dies gestern bestätigt.

„Was uns in Potsdam dann droht, hätte eine völlig neue, pogromhafte Dimension“, sagte ein Verfassungsschützer. Potsdam könne dann „Schlachtfeld von links- und rechtsextremen Gruppen aus ganz Deutschland“ werden. Tsp/PNN

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