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Brandenburg: Der lange Abschied von der Utopie

PDS will sich auf ihrem Parteitag stärker der Realität zuwenden

Potsdam. Selbst Koalitionspolitiker beklagen den „traurigen Zustand" der PDS. Und sie meinen das sogar aufrichtig. Ihre Theorie: Gäbe es in Brandenburg eine „richtige Opposition", würde in der Großen Koalition nicht immer wieder gegeneinander gearbeitet. Dann erlägen SPD- und CDU-Politiker auch nicht so oft der Versuchung, „wechselseitig Opposition zu spielen". Vielmehr würde man unter dem Dauerbeschuss der PDS „enger zusammenrücken". Darauf angesprochen äußert ein PDS-Politiker sarkastisch: „Vielleicht sind wir deshalb so schwach, weil wir das nicht wollen."

So absonderlich ist dieser Gedanke gar nicht, hat doch PDS-Landeschef Ralf Christoffers nie einen Hehl daraus gemacht, dass er kein Interesse an einer starken SPD-CDU-Koalition habe, weil man nach der Landtagswahl 2004 das rot-schwarze Bündnis durch ein rot-rotes ablösen wolle. Von diesem strategischen Ziel ist im Moment freilich nicht mehr die Rede. Und auch auf dem Wahlparteitag am Wochenende in Cottbus wird Rot-Rot kein Thema sein. „Die PDS hat im Moment ganz andere Sorgen", gibt Fraktionschef Lothar Bisky zu, der das Land im übrigen „auf einem konservativen Weg" sieht. Die SPD ordne sich CDU-Landeschef und Innenminister Jörg Schönbohm letztlich unter. Für die Schwäche der eigenen Partei macht der frühere PDS-Bundesvorsitzende nicht zuletzt die jetzige Parteiführung in Berlin verantwortlich: Sie sei viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, anstatt die dringend notwendige Debatte über die bundespolitischen Herausforderungen zu führen. Dass die Bundespartei derzeit politisch nicht wahrnehmbar sei, färbe auch auf die märkische PDS ab. Bisky: „Die Krise auf Bundesebene schwächt die Landespartei."

Für die aufmüpfige PDS-Politikerin Esther Schröder, die als ständiger Unruhepol aus der Fraktion ausgeschlossen wurde, ist das freilich allenfalls die halbe Wahrheit. Der „absolute Stillstand" der Landespartei sei hausgemacht: „Die PDS hat ein großes Kompetenzproblem." Dies zeige sich ganz aktuell in der Debatte um das Milliardendefizit im Haushalt 2003. Die PDS sage zwar, wo überall der Rotstift nicht angesetzt werden dürfe und fordere die Betroffenen zum Protest auf, sie biete aber keine Alternativen zur Schließung des Milliardenlochs an. Schröder: „Es wird nicht mehr deutlich, wofür die PDS steht und wo sie Prioritäten setzen will." Die Partei verliere deshalb an Glaubwürdigkeit.

Bisky bestreitet nicht, dass die PDS „keine Rezepte" und damit ein Glaubwürdigkeitsproblem habe. Und er betont: „Wir können uns nicht um die Frage drücken, wo der Rotstift angesetzt werden muss." Dass die Antworten der PDS nicht leicht fallen, ist verständlich, muss sie sich doch von utopischen Vorstellungen darüber trennen, was der Staat leisten kann. Den Brandenburger Sozialisten fällt dies offensichtlich sehr viel schwerer als ihren Berliner Genossen. Der Frankfurter Landtagsabgeordnete Frank Hammer zum Beispiel tadelt die rigide Rotstift-Politik der Berliner Genossen, die kein Vorbild für Brandenburg sein könne. Hier müssten die Politiker „die Menschen fragen, wo eingespart werden kann". Hammer ist längst nicht der einzige PDS-Genosse, der ernsthaft glaubt, das Milliarden-Desaster am „Runden Tisch" lösen zu können.

Bisky bringt es auf den Punkt: „Wir müssen realistischere Politikansätze entwickeln." Er hoffe, dass sich der Parteitag in Cottbus in diese Richtung bewegen werde. Auch die „graue Eminenz" der märkischen PDS, Fraktions-Vize und Wahlkampfleiter Heinz Vietze, sieht die Partei an einem Wendepunkt: „Wir müssen die Frage beantworten, wie tragfähig das ist, was wir anzubieten haben – und Konsequenzen daraus ziehen." Manche befürchten allerdings, dass der märkischen PDS die Kraft dazu fehlt. Die Partei ist hoffnungslos überaltert, das Durchschnittsalter der Mitglieder liegt bei 65 Jahren. Die Personaldecke ist dünn, profilierte Köpfe sind rar. Bei Fraktionschef Lothar Bisky (61) sind Ermüdungserscheinungen nicht zu übersehen, er will sich 2004 ganz aus der Politik zurückziehen. Und der 46-jährige Parteichef Ralf Christoffers, einst ein Hoffnungsträger, ist inzwischen in der Partei umstritten, auch wenn an seiner Wiederwahl am Sonnabend mangels Alternativen nicht gezweifelt wird.

Michael Mara

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