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Brandenburg: Der Märker geht, der Mink kommt

Noch rätselt die Politik, wie mit der Landflucht umzugehen ist. Die Natur aber nutzt ihre Chance

Potsdam - Die Menschen werden aus den dünn besiedelten Randregionen Brandenburgs abwandern – dafür kehren Wildtiere wie die Wölfe zurück. „Die Natur erobert verloren gegangenes Terrain zurück“, prophezeien Forscher wie der Demografie-Experte Steffen Kröhnert vom Berlin-Institut für Bevölkerung. Als Beispiel führte er die Wiederansiedlung von Wölfen in der Niederlausitz an. „Anders als die Menschen der Region verfügen sie über ausreichend Nachwuchs, so dass der Bestand als gesichert gilt.“

Neben Wölfen hätten auch andere Tier- und Pflanzenarten, denen in den vergangenen Jahrzehnten der Lebensraum genommen wurde, „eine Chance zurückzukehren“. Und es gibt sogar tierische „Neusiedler“ wie beispielsweise den Mink. Der amerikanische Verwandte des Nerzes kam einst über den Atlantik und wurde vor allem in Pelztierzuchtfarmen der DDR gehalten. Inzwischen hat der Mink einen festen Platz im Gewässernetz von Oder, Spree und Havel erobert.

In Brandenburg und anderen Regionen im Osten gebe es schon heute weite Gebiete mit wenig gestörtem Naturraum. Kröhnert sieht die zu erwartende „Renaturierung“ unter den gegebenen Umständen – Industrien brechen zusammen, Menschen wandern ab, die Landwirtschaft zieht sich zurück – nicht als Nachteil an: Die Besinnung auf die landschaftliche Attraktivität Brandenburgs sei eine der wenigen Alternativen zur Entvölkerung der Randregionen, meint er.

Er warnte vor der Illusion, dass die Landflucht zu stoppen sei. In verschiedenen Ländern wie Schweden seien Konzepte ausgearbeitet worden, um die Wanderungen aus dünn besiedelten Regionen in die Metropolen aufzuhalten. „Sie haben nicht funktioniert“, so der Demografie-Experte. „Die Entvölkerung der Randregionen konnte bisher nirgendwo gestoppt werden.“ Darüber, was das für Brandenburg konkret bedeutet, gibt es bisher kaum Forschungen. Die Debatte hat gerade erst begonnen.

Langfristig, so prophezeite Kröhnert, werde es „zum Rückzug aus bestimmten Regionen“ kommen, auch zur Aufgabe von Dörfern. Da vor allem die gut qualifizierten jungen Menschen, auch viele Frauen im gebärfähigen Alter abwanderten, würden die schlecht qualifizierten Männer und die älteren Menschen zurückbleiben. Die Konzentration von Männern, so Kröhnert, könne ein Konfliktpotenzial darstellen. Nach manchen Prognosen werden in 20 Jahren doppelt so viele Männer wie Frauen in den Randregionen leben. Vor allem werde es dort aber eine „unglaubliche Überzahl“ älterer Menschen geben. Diese Situation werde für Politik und Wirtschaft mit „enormen Konsequenzen“ verbunden sein. Zum Beispiel stelle sich das Problem der Betreuung der alten Menschen. „Die Zahl der Einrichtungen für sie wird deutlich wachsen müssen.“ Eine weitere Frage sei, in welchem Ausmaß der Rand noch mit Infrastruktur versorgt werden könne. Große wirtschaftliche Projekte hätten in den Randregionen schon jetzt keine Chance mehr. Insofern seien die Pläne von Ministerpräsident Matthias Platzeck, hier umzusteuern und sich auf das Berliner Umland sowie wenige Kerne zu konzentrieren, realistisch.

Michael Mara

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