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Brandenburg: Fall Ermyas M.: Mann aus Schweiz bezichtigt sich selbst

27-Jähriger soll nächste Woche vernommen werden. Staatsanwaltschaft bezweifelt seine Mittäterschaft

Von Sandra Dassler

Potsdam - Ein 27-jähriger Schweizer behauptet, aktiv am Überfall auf den Deutsch-Äthiopier Ermyas M. am Ostersonntag beteiligt gewesen zu sein. Das bestätigte der Potsdamer Anwalt Matthias Schöneburg gestern dem Tagesspiegel. Der Mann habe ihn mehrfach angerufen: „Er wollte eine Zeugenaussage machen – sagte, er könne es nicht länger ertragen, dass ein Unschuldiger im Gefängnis ist.“

Schöneburg vertritt den bisherigen Hauptverdächtigen, Björn L., der in Untersuchungshaft sitzt. „Der junge Mann aus der Schweiz hat sich bereits im Mai bei der Staatsanwaltschaft als Zeuge gemeldet“, sagte Schöneburg: „Anfang Juni wurde ein Rechtshilfeersuchen an die Schweiz gestellt – seither ist offenbar nichts geschehen. Obwohl möglicherweise wirklich ein Unschuldiger im Gefängnis sitzt.“

Der Sprecher der Potsdamer Staatsanwaltschaft, Benedikt Welfens, wies den Vorwurf, es sei nichts geschehen, zurück. Dem Tagesspiegel sagte er: „Der Mann hat sich bei uns zunächst lediglich als Zeuge gemeldet. Da er Schweizer Staatsbürger ist, mussten wir ein Rechtshilfeersuchen an die Schweizer Behörden stellen. Das dauert manchmal einige Zeit.“ Allerdings betrachte man den „Zeugen“ mit „äußerster Vorsicht“, sagte Welfens und meinte damit wohl die Glaubwürdigkeit des jungen Mannes. Die Staatsanwaltschaft habe keinerlei Zweifel, dass es sich bei den Tätern um die beiden bislang Verdächtigen – neben Björn L. ist das der 30-jährige Thomas M. – handele.

Selbstverständlich nehme man aber alle Hinweise ernst, sagte Welfens. Bereits nächste Woche würden die Schweizer Behörden den 27-jährigen Zeugen beziehungsweise Verdächtigen vernehmen. Wenn sich Presseberichte bestätigten, wonach der Mann seine Aussage nur bei deutschen Behörden machen wolle, müsse man eben einen Staatsanwalt in die Schweiz schicken.

Der Schweizer soll aus Potsdam stammen und sich über Ostern dort aufgehalten haben. Als Motiv für die Tat gab er nach Presseberichten an, er sei einmal in der Karibik von Einheimischen überfallen worden. „Ich weiß nicht, wie glaubwürdig das ist – nur vernehmen sollte man ihn endlich“, meint Matthias Schöneburg. Der Potsdamer Anwalt, der zuletzt die Mutter der neun toten Babys von Brieskow-Finkenheerd vor Gericht vertrat, hatte erst kürzlich die Verteidigung von Björn L. übernommen. Er ist überzeugt, dass sein 29-jähriger Mandant unschuldig ist. Björn L. war bereits zweimal aus der Untersuchungshaft entlassen, wenig später jedoch auf Betreiben der Staatsanwaltschaft wieder verhaftet worden. Der zweite Tatverdächtige, der 30-jährige Thomas M., befindet sich auf freiem Fuß.

Der Überfall auf Ermyas M., der lange im Koma lag und keine Erinnerung an das Geschehen hat, löste große Betroffenheit aus, weil vieles auf einen rassistischen Hintergrund hindeutete. Der damalige Generalbundesanwalt Kay Nehm hatte die Ermittlungen an sich gezogen, sie später jedoch an die Potsdamer Staatsanwaltschaft abgegeben. Die Haftbefehle wegen versuchten Mordes mit rassistischem Hintergrund wurden aufgehoben. Die Anklage geht nun von schwerer Körperverletzung aus. „Wir sind mit den Ermittlungen fast am Ende“, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft. Es sei denn, es ergebe sich nach der Vernehmung in der Schweiz tatsächlich ein völlig neues Bild.

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