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Fall Ermyas M.: Zeugen entlasten Hauptangeklagten

Im Prozess um den brutalen Angriff auf den Deutsch-Äthiopier Ermyas M. ist der Hauptangeklagte entlastet worden. Die Zeugen konnten seine Stimme auf einer Audio-Aufnahme der Tat nicht identifizieren.

Potsdam - Am siebten Verhandlungstag vor dem Landgericht Potsdam sagten mehrere Zeugen aus, dass die Stimme auf einem Mailbox-Mitschnitt des Streits zwischen Opfer und Angreifern nicht die von Björn L. sei. Der Hausarzt des inzwischen 30-jährigen Beschuldigten gab an, L. habe zur Tatzeit um Ostern 2006 eine Kehlkopfentzündung gehabt. Seine Stimme habe rau und kratzig geklungen. Die Verteidigung sieht bislang keine belastenden Beweise für den Hauptbeschuldigten und übte scharfe Kritik an der Staatsanwaltschaft.

In dem Verfahren müssen sich Björn L. wegen gefährlicher Körperverletzung und der 31-jährige Thomas M. wegen unterlassener Hilfeleistung verantworten. Beiden wird zudem Beleidigung vorgeworfen. Sie bestreiten die Tat. Laut Anklagen sollen die Männer am frühen Ostersonntag 2006 an einer Bushaltestelle mit Ermyas M. in Streit geraten sein und den dunkelhäutigen Potsdamer als "Scheiß-Nigger" beschimpft haben. Infolge der Auseinandersetzung soll L. dem gebürtigen Äthiopier einen heftigen Schlag ins Gesicht versetzt haben.

Rassismus-Vorwurf fallen gelassen

Der Familienvater erlitt bei dem Angriff schwerste Kopfverletzungen. Der Fall hatte bundesweit für Aufsehen gesorgt, weil die Ermittler zunächst von einem rassistisch motivierten Mordversuch ausgegangen waren. Dieser Vorwurf ließ sich jedoch im Laufe der Ermittlungen nicht halten.

Am Freitag ging es vor allem um die Frage, ob Björn L. auf dem Mitschnitt des Streits auf einer Handy-Mailbox zu hören ist. Einige Zeugen wollen darauf seine Stimme erkannt haben. L. wird aufgrund einer hohen Fistelstimme seit seiner Kindheit "Pieps" genannt. Bei Vernehmungen hatte er jedoch stets betont, zur Tatzeit heiser gewesen zu sein.

Das bestätigte sein Hausarzt. Er habe kurz vor Ostern eine Kehlkopfentzündung bei L. diagnostiziert. Nach den Feiertagen habe sich L. eine Überweisung für einen Hals-Nasen-Ohren-Arzt geholt. Da sei er immer noch heiser gewesen. Er könne die Stimme nicht auf dem Mailbox-Mitschnitt identifizieren, sagte der Mediziner. Es sei "sehr unwahrscheinlich", dass jemand mit einer Kehlkopfentzündung so hoch spreche wie der Mann auf der Mailbox.

Auch Freunde des Angeklagten betonten, L. sei zur fraglichen Zeit krank gewesen. Christian R. sagte, L.s Stimme habe leise und krächzend geklungen. Es sei auszuschließen, dass es die Stimme auf der Mailbox sei. Auch seine normale Stimme weise keine Ähnlichkeit zu der auf der Mailbox auf.

Verteidiger sieht keine belastenden Beweise

Der Zeuge hat nach eigenen Angaben am Ostersamstag das Auto mit dem Hauptangeklagten getauscht, da sein eigenes nicht für eine längere Fahrt geeignet war. Da das Auto von Björn L. für einen geplanten Ausflug jedoch zu klein gewesen sei, habe er dieses dann noch gegen einen Transporter getauscht. Am Sonntag seien die Fahrzeuge wieder zurückgetauscht worden.

Nebenklage-Anwalt Thomas Zippel hegte Zweifel an der Darstellung. So wollte R. angebliche Zeugen für die Tauschaktion nicht benennen. Auf Drängen des Richters nannte er dann den Namen eines Bekannten, zu dem er aber keinen Kontakt mehr habe.

Nach Einschätzung der Verteidiger haben die Kläger mit den Nachfragen lediglich "stümperhaft versucht", die Glaubwürdigkeit des Zeugen in Frage zu stellen. Anwalt Matthias Schöneburg betonte, es gebe bislang überhaupt keine belastenden Beweise. Von der Anklage sei nichts übrig. Es sei "peinlich, was die Staatsanwaltschaft an angeblichen Beweismitteln vorlege". Zugleich warf Schöneburg der Anklage vor, einseitig vorzugehen. So habe sie nur Zeugen benannt, die L. belasteten. Die Zeugen vom Freitag seien dagegen nicht von der Staatsanwaltschaft, sondern vom Vorsitzenden Richter Michael Thies geladen worden. (Von Susann Fischer, ddp)

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