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Brandenburg: Freiwillig auf die Anklagebank

Mordverdächtige reisen aus Schweden zu Prozess

Von Sandra Dassler

Dahlwitz-Hoppegarten - Sie sind in Deutschland wegen Doppelmordes angeklagt. Sie wurden in Schweden wegen eines Tötungsverbrechens verurteilt. Sie stehen im Verdacht, weitere Menschen auf dem Gewissen zu haben und in terroristische Anschläge auf US-Kasernen verstrickt zu sein – und dennoch: Die beiden Angeklagten im Prozess um den Doppelmord von Dahlwitz-Hoppegarten werden am heutigen Dienstag vor dem Landgericht Frankfurt freiwillig erscheinen – oder besser gesagt: ohne Haftbefehl. Das versichern jedenfalls ihre Anwälte.

„Mein Mandant Bassam A. wurde am Montag um null Uhr aus der Abschiebehaft in Schweden entlassen“, sagte Rechtsanwalt Marcel Börger gestern dem Tagesspiegel: „Er hat sich sofort ins Auto gesetzt und ist losgefahren. Am Vormittag war er schon kurz vor Berlin.“ Die deutschen Behörden wissen davon angeblich nichts. Bassam A. soll zeitweilig der palästinensischen Terrorgruppe Abu Nidal angehört haben. Auch der Anwalt des Angeklagten Abed N. versicherte, sein Mandant werde heute zum Prozess kommen.

Deshalb verschob der Vorsitzende Richter am Frankfurter Landgericht gestern erneut die Verlesung der Anklageschrift. „Das schwedische Justizministerium teilte mit, dass Bassam A. und Abed N. auf freien Fuß gesetzt würden. Sie können bis Dienstag hier sein, dann geht es weiter.“

Es ist eine in jeder Hinsicht verwirrende Geschichte, die gegenwärtig in Frankfurt (Oder) verhandelt wird. Angeklagt sind der 66-jährige Josef Steve A., sein 39-jähriger Sohn Bassam A. und sein 41-jähriger Schwiegersohn Abed N. Sie sollen im Dezember 2006 in Dahlwitz-Hoppegarten den 45-jährigen Autohändler Gazi Al-A. sowie dessen 36-jährige deutsche Ehefrau erschossen haben. Die Staatsanwaltschaft geht von Raubmord aus, seltsam ist, dass sich bei dem Toten, der einst der Leibgarde von Palästinenserchef Arafat angehört haben soll, noch zigtausende Mark fanden.

Josef Steve A., der früher Ibrahim A. hieß, sich aber umbenannte, war der Einzige, der bislang auf der Anklagebank in Frankfurt saß. Er ist schwedischer Staatsbürger, sein Sohn und sein Schwiegersohn haben auch Familien in Schweden, gelten aber als staatenlos. Beide wurden in Schweden wegen eines Tötungsverbrechens verurteilt und sollten nach Verbüßen der Strafe abgeschoben werden.

Warum die schwedischen Behörden die beiden aus der Abschiebehaft entließen, war gestern nicht zu erfahren. Ihre Anwälte betonen, dass alle drei Angeklagten unschuldig seien und deshalb vom Prozess nichts zu befürchten hätten. Offenbar sieht auch das Oberlandesgericht keinen dringenden Tatverdacht. Es entschied jedenfalls monatelang nicht über die von der Staatsanwaltschaft beantragten Haftbefehle gegen die drei Männer.

Die Zweifel haben mit der Glaubwürdigkeit des Hauptbelastungszeugen Nidal A. zu tun. Der ist ein Neffe von Josef Steve A. und hatte alle drei Angeklagten dieses und weiterer Verbrechen bezichtigt. Er soll – wenn der Prozess heute tatsächlich richtig beginnen kann – Ende April vor Gericht aussagen. Sandra Dassler

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