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Brandenburg: Gefängnisleiter von Brandenburg/Havel wird versetzt Ausschuss sieht Justizministerin

von Vorwürfen entlastet

Potsdam. Im Gefängnis-Skandal um angebliche Übergriffe auf Häftlinge gibt es weitere Konsequenzen: Der Leiter der Justizvollzugsanstalt Brandenburg/Havel, Hermann Wachter, wird wegen der dortigen Zustände von seinem Posten abgelöst und in eine andere Behörde versetzt. Außerdem werden alle seit 1999 von Häftlingen gegen Vollzugsbeamte erstatteten Anzeigen wegen Körperverletzung oder unterlassener Hilfeleistung erneut geprüft, obwohl die Ermittlungen bereits eingestellt worden sind. Es gehe um zunächst 80 Fälle, sagte Justizministerin Barbara Richstein (CDU) vor dem Rechtsausschuss des Landtages, vor dem sie wegen der Vorwürfe gegen Gefängniswärter am Montag Rede und Antwort stehen musste. Am Abend wurde aus dem Ministerium bekannt, dass es sogar mehr als diese 80 Anzeigen gibt, und dass auch die bisher nicht erfassten geprüft würden.

Richstein sagte, sie wolle durch die Überprüfung einen Generalverdacht gegen Vollzugs-Beamte ausschließen. Auffallend: Die meisten der Anzeigen – nämlich 57 – stammen aus der JVA Brandenburg; 36 richten sich allein gegen fünf Bedienstete.

Außer Richstein sagten in der vierstündigen Sitzung der Anstaltsleiter Wachter, der Vorsitzende des Anstaltsbeirates Kuno Pagel und Generalstaatsanwalt Erardo Rautenberg aus. Es habe sich gezeigt, so der Ausschuss-Vorsitzende Frank Werner, dass „eine Reihe von Vorwürfen nicht haltbar“ sei. Hinweise auf „Rollkommandos“ und „Prügelorgien“ hätten sich nicht bestätigt. Im Falle des 55-jährigen Friedrich F., der als gewalttätig gilt und zu acht Jahren Freiheitsstrafe wegen Totschlags verurteilt wurde, müsse der Wahrheitsgehalt seiner Vorwürfe hinterfragt werden. F. hatte im Februar Anzeige wegen unterlassener Hilfeleistung und Körperverletzung erstattet. Er will in der Nacht zum 14. Januar, nachdem er wegen Herzschmerzen einen Arzt gerufen hatte, von vermummten Wärtern zusammengeschlagen worden sein. Am nächsten Tag wurde im Krankenhaus ein Herzinfarkt festgestellt. Werner sagte, es sei nicht klar, wann dieser eingetreten sei. Darüber werde ein Gutachten der Staatsanwaltschaft Auskunft geben. Auch hätten die Ärzte im Krankenhaus äußere Verletzungen nicht festgestellt. Die unterlassene Hilfeleistung stehe hingegen fest, so Richstein.

Kritik übte Werner an Anstaltsleitung und Staatsanwaltschaft: Sie hätten das Ministerium nicht informiert. Richstein, die erst am 30. April 2004 vom Fall F. erfuhr, hat die Meldepflichten inzwischen verschärft.

Der PDS-Rechtspolitiker Stefan Sarrach sagte, zwar habe sich „Gewalt nicht bestätigt“. Er sei aber betroffen von den Zuständen in der JVA, etwa „fehlender Dokumentation über den Einsatz von Schlagstöcken“ und „grober Fehleinschätzung der Lage im Fall F.“ Auch der SPD-Rechtspolitiker Peter Muschalla nannte Strukturen, Informationspolitik und Selbstverständnis der Anstaltsleitung kritikwürdig. Allerdings sahen PDS-, SPD- und CDU-Vertreter nach der Anhörung keinen Rücktrittsgrund für Richstein. „Das ist erledigt“, sagte Wolfgang Klein von der SPD. Der Rechtsausschuss hatte sich bereits im Januar mit den Zuständen in der JVA Brandenburg befasst. Damals hatte Richstein erklärt, dass „keine speziellen Probleme erkennbar“ seien.

Michael Mara

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