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Brandenburg: Havelausbau vorläufig gestoppt

Schifffahrtsdirektion: Zu geringe Wassermenge erfordert eine neue Planung für den Sacrow-Paretzer-Kanal

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Von Sandra Dassler

und Klaus Kurpjuweit

Marquardt. Umweltverbände und Havel-Anlieger triumphieren: Die Wasser- und Schifffahrtsdirektion Ost in Magdeburg hat das Planfeststellungsverfahren für den Ausbau des Sacrow-Paretzer-Kanals zunächst eingestellt. Die Pläne für die Verbreiterung und Vertiefung des fast 14 Kilometer langen Abschnitts vom Mündungsbereich des Havelkanals bis zum Jungfernsee werden aber weiterverfolgt. Wie der Tagesspiegel erfuhr, soll ein neues Verfahren mit geänderten Vorgaben innerhalb der nächsten sechs bis neun Monate beantragt werden.

Der Ausbau des Sacrow-Paretzer-Kanals gehört zum seit Jahren umstrittenen Verkehrsprojekt Deutsche Einheit 17, das großen Rheinschiffen und bis zu 185 Metern langen Großschubverbänden die Fahrt von Hannover bis Berlin ermöglichen soll. Die Magdeburger Behörde begründete die Einstellung des Planfeststellungsverfahrens mit „erheblichen Veränderungen, die eine umfangreiche Umplanung und weitere Gutachten erforderlich gemacht haben“. Deshalb sei nicht absehbar, ob im nächsten Jahr ein Planfeststellungsbeschluss erlassen werden könne.

Eine Sprecherin der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Ost sagte: „Ob und wann das Verfahren wieder aufgenommen wird, hängt davon ab, wie der Bauträger die veränderten Bedingungen in eine neue Vorlage einbringt. Der Terminplan richte sich auch danach, wie schnell sich die Ministerien entsprechend des kürzlich verabschiedeten Bundesverkehrswegeplans 2003 abstimmen.“

Träger des Havelausbaus ist das Wasserstraßenneubauamt Berlin. Der Sachbereichsleiter Peter Dietrich gab sich gestern optimistisch: „Wir werden innerhalb der nächsten sechs bis neun Monate ein neues Planfeststellungsverfahren beantragen“, sagte er. Die Veränderungen, die dass neue Verfahren bedingen, seien seit einem Jahr bekannt. Es gehe um die geringeren Wassermengen in Spree und Havel, die durch Klimaveränderungen, weniger Niederschläge und durch die Flutung der Tagebaurestlöcher in der Lausitz hervorgerufen worden seien. Dies berücksichtige man im neuen Antrag.

„Wenn weniger Wasser in der Havel ist, sind die Auswirkungen auf die Umwelt sogar noch geringer als bislang angenommen“, meinte Dietrich, „und für die Schifffahrt ist das auch kein Problem – das Wasser wird einfach länger gestaut.“

Winfried Lücking vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) lässt diese Argumente nicht gelten: „Zum einen haben wir seit Jahren darauf hingewiesen, dass für den Ausbau der Havel ganz einfach das Wasser fehlt. Das hätte man aufgrund zahlreicher wissenschaftlicher Studien und Untersuchungen längst wissen können. Zum anderen wird das Wasser nun wirklich nicht besser, wenn man es staut.“

Umweltschützer wie Lücking befürchten, dass große Uferbereiche des Schlänitzsees austrocknen und die benachbarten Feuchtgebiete, beispielsweise auch der Lenné-Park von Schloss Marquardt, durch den Havelausbau extrem gefährdet sind. Außerdem könne die Trinkwasserversorgung durch das Wasserwerk Nedlitz, das ein Drittel der Potsdamer Haushalte beliefert, beeinträchtigt werden. Nicht zuletzt würden durch die Veränderung der Fließgeschwindigkeit und die Absenkung der Wasserstände der Havel, die bis an die Spreemündung reichen, die letzten Überflutungsflächen Berlins trockengelegt. Die Behörden hatten solche Befürchtungen damit abgetan, dass man beispielsweise Wasser aus der Oder entnehmen könne. Doch das enthält viele Schadstoffe – auch die Landesregierungen von Berlin und Brandenburg stehen diesen Plänen skeptisch gegenüber.

Dass die Einstellung des Verfahrens das gesamte Projekt gefährden könne, glauben die Wasserbauer nicht. Erst vor zwei Monaten hatte die Bundesregierung beschlossen, das Vorhaben fortzusetzen. Der Ausbau der Wasserstraße war 1990 konzipiert worden, als 17 Projekte aufgestellt wurden, die vordringlich verwirklicht werden sollten, um die Verkehrswege zwischen beiden einst getrennten Staaten wieder herzustellen.

Die meisten Schienenprojekte sind inzwischen abgeschlossen, auch die vorgesehenen Autobahnen sind gebaut oder weit fortgeschritten. Fertig ist bereits das neue „Wasserstraßenkreuz“ in Magdeburg, in Berlin werden derzeit unter anderem die Schleuse Charlottenburg und die Marchbrücke über den Westhafenkanal neu gebaut. Nur das 17. und letzte Projekt hat gewaltige Verspätung.

Am Nutzen des Wasserstraßenausbaus hatte es von Anfang an Zweifel gegeben. Strittig ist, ob dafür überhaupt ein Bedarf besteht und ob EU-Regeln verletzt werden.

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