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Brandenburg: „Ich beneide ihn nicht“

Jörg Schönbohm (CDU) über Platzecks neuen Job, seine Rolle in Brandenburg und Jugendkrawalle

Ein ganz aktuelles Thema: Sie schließen nicht aus, dass es Jugendkrawalle wie derzeit in Frankreich auch hier geben kann?

Ich will keine Kassandrarufe ausstoßen, aber wir müssen mehr tun, um Zugewanderte besser zu integrieren, sonst kann das passieren, was wir in Frankreich erleben. Bislang ist es leider oft der Fall, dass in ZuwandererFamilien selbst in der zweiten oder dritten Generation noch nicht Deutsch gesprochen wird. Das schmälert die Chancen auf Ausbildung, auf Jobs. Vor allem Länder und Kommunen sind stärker gefordert.

Was meinen Sie konkret?

Kinder müssen vor der Einschulung Deutsch lernen. Es gibt erste Versuche in Bundesländern mit Sprachtests. Wir müssen dafür sorgen, dass Eltern stärker ihre Verantwortung wahrnehmen.

Das Thema ist bisher in Deutschland tabuisiert: Sollten soziale Leistungen für Zuwanderer an Pflichtkurse zum Erlernen der deutschen Sprache gekoppelt werden?

Wer öffentliche Mittel in Anspruch nimmt, muss zeigen, dass er gewillt ist, sein Leben in die eigene Hand zu nehmen. Ich glaube, dass es unter dem Eindruck der Krawalle in Frankreich ein Umdenken geben wird.

Zu den Problemen in Berlin und Brandenburg: Beneiden Sie eigentlich Herrn Platzeck um seinen neuen Job?

Ich gönne ihm diesen von Herzen, aber ich beneide ihn nicht. Er wird sein Leben von Grund auf verändern müssen. Es ist eine Aufgabe, die Matthias Platzeck bis auf die Knochen fordern wird. Die SPD ist in einer schwierigen Situation. Die westdeutschen Landesverbände ticken anders als die ostdeutschen. Außerdem muss Platzeck die Flügel einbinden.

Auch Brandenburg steht vor einem schwierigen Umbau, ist es da ein Nachteil, dass Platzecks künftig auch noch die SPD-Bundespartei führt?

Nein. Dass der Ministerpräsident Vorsitzender der SPD wird, bietet Brandenburg auch Chancen. Matthias Platzeck kann in dieser Funktion mehr für die neuen Bundesländer tun. Seine Aufgaben in Brandenburg kann man so organisieren, dass er sich stärker auf seine Fachminister stützt. Außerdem wird die Große Koalition auf Bundesebene auch zu einer besseren Atmosphäre und mehr Verlässlichkeit in der Landeskoalition führen.

Wird Ihre Rolle als stellvertretender Regierungschef wachsen?

Ich bin bereit, den Ministerpräsidenten stärker zu unterstützen, wenn er das wünscht. Ich glaube, er weiß, dass er sich auf mich verlassen kann. Wir haben nur gemeinsam Erfolg.

Platzecks Tage in Brandenburg sind gezählt. Was bedeutet das für die Regierung, für das Land?

In einer Demokratie ist grundsätzlich jeder ersetzbar. Aber klar ist, dass starke Persönlichkeiten, wenn sie gehen, Lücken hinterlassen. Hinzu kommt, dass wir keinen Überfluss an Führungspersonal haben, man nicht sofort sagen kann, wer der nächste Ministerpräsident wird. Aber es gibt in der SPD verschiedene Personen, die es schaffen könnten, so dass ich mit einem geräuschlosen Übergang rechne.

Welche Folgen hätte es für Ihre eigene Lebensplanung, wenn Platzeck 2007 nach Berlin ginge. Würden Sie dann doch noch einmal als CDU-Landeschef antreten?

Nein. Mein Entschluss steht fest, es ist richtig, dass wir 2007 in unserer Partei den Wechsel vollziehen. Da Platzeck demnächst auch den Landesvorsitz abgeben dürfte, hätten die neuen Vorsitzenden genügend Zeit, sich für die Landtagswahl 2009 warmzulaufen.

Mit Matthias Platzeck und Angela Merkel führen zwei Ostdeutsche die großen Volksparteien. Können sie unbefangener die Reform Deutschlands durchsetzen?

Beide sind erst 15 Jahre in der Politik und viel unverbrauchter als jemand, der im Westen nach 35 Jahren Parteiarbeit in solche Position gelangt ist. Durch ihre Erfahrungen mit den Umbrüchen in Ostdeutschland sind beide pragmatischer und offener. Um ein Problem zu lösen, werden beide Tradiertes eher in Frage stellen. Sie werden auch über Jahrzehnte im Westen Gewachsenes auf seine Zweckmäßigkeit abklopfen. Das ist ein Prozess, der in Deutschland nötig ist, weil wir sonst in der Sackgasse bleiben. Entscheidend ist aber, dass beide Parteien den gemeinsam beschlossenen Kurs mittragen.

Wer wird es da schwieriger haben?

Bei der CDU haben wir auf dem Parteitag in Leipzig weite Schritte nach vorn beschlossen und im Wahlkampf vertreten. Jetzt fangen einige allerdings an, das zurückdrehen zu wollen. Bei der SPD war mit der Agenda 2010 Gerhard Schröder vorn, im Wahlkampf ist die Partei aber wieder zurückgewichen, niemand weiß, ob die alten Flügelkämpfe wieder ausbrechen. Mein Eindruck ist, dass es Matthias Platzeck schwieriger haben wird.

Sie und Platzeck werden bei der nächsten Landtagswahl 2009 nicht mehr Spitzenkandidaten ihrer Parteien sein. Sie beide fanden auch in der Bundespolitik Gehör. Wird das Land künftig bundespolitisch an Einfluss verlieren?

Das muss nicht so sein. Es gibt viele gute Politiker in der zweiten Reihe. Warten wir doch mal ab, wer sich freischwimmt. Außerdem hoffe ich, dass wir mit Berlin konsequent auf ein gemeinsames Land zu steuern und es 2009 die Volksabstimmung für die Fusion geben wird. Ein gemeinsames Land hätte natürlich größeres bundespolitisches Gewicht.

Das Interview führten Michael Mara und Thorsten Metzner

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