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Brandenburg: Im Einsatz gegen Ausweisung

"Herr Minister, das grenzt an Heuchelei!" Der Vorwurf galt Jörg Schönbohm.

Von Sandra Dassler

"Herr Minister, das grenzt an Heuchelei!" Der Vorwurf galt Jörg Schönbohm. Dabei hatte der Innenminister unlängst in Cottbus so einfühlsam aus seinem Lieblingsbuch "Der kleine Prinz" vorgelesen. Die anschließende Diskussion wurde für ihn allerdings eher ungemütlich. Ob die Lektüre Folgen für seine tägliche Arbeit hätte, wollte eine Frau wissen. Und eine andere fragte ganz direkt: "Kommen Sie nicht in Gewissenskonflikte, wenn sie die kosovarische Familie Bunjaku abschieben wollen, für die sich eine ganze Stadt einsetzt?" Schönbohm verteidigte sich mit dem Gesetz, an dem er nichts ändern könne. Außerdem seien es ja nur "einige Gubener", die sich gegen die Abschiebung der Bunjakus zur Wehr setzten.

Doch in Guben sind die Bunjakus inzwischen für einen Großteil der Bevölkerung zum Dauerthema geworden. Die Familie des Englischlehrers Shefik Bunjaku (48) lebt seit sieben Jahren in der Neißestadt und gilt als Musterbeispiel für Integration. Der Familienvater hat Arbeit und trainiert nebenbei den Gubener Fußballnachwuchs. Die 37-jährige Mutter Shukrije engagiert sich für andere Ausländer und organisierte die Versorgung der Kriegsflüchtlinge aus dem Kosovo, die vor drei Jahren zeitweilig in Deutschland aufgenommen wurden. Die Kinder Kaltrina (15), Bejtullah (13) und Besford (12) gehören zu den Besten in der Schule und im Sport. Für sie ist die drohende Abschiebung in ein Land, an das sie kaum Erinnerungen haben, am schwersten zu verkraften. "Die Kinder leiden unter der ungewissen Zukunft und unter der Hilflosigkeit ihrer Eltern", sagt eine Lehrerin: "Wäre da nicht die große Welle der Sympathie und Solidarität sowohl von den Mitschülern als auch von den ganz normalen Gubener Bürgern - es wäre unerträglich für sie."

1992 war Shefik Bunjaku von den serbischen Besatzern verhaftet und zu Gefängnis verurteilt worden, weil er sich im Demokratischen Bund von Kosovo gegen die Unterdrückung der albanischen Sprache engagierte. Jahrelang war er überzeugt, dass ihn Deutschland als politischen Flüchtling anerkennen würde. Als die Familie Anfang September dieses Jahres die Aufforderung bekam, das Land zu verlassen, ging ein Sturm der Entrüstung durch Guben. In wenigen Tagen wurden mehr als tausend Unterschriften für die Bunjakus gesammelt, die Gubens Bürgermeister Gottfried Hain (SPD) an Bundestagspräsident Wolfgang Thierse überreichte. Der zuständige Landrat Dieter Friese (SPD) berief sich schließlich auf "übergesetzlichen Notstand" und weigerte sich, die Bunjakus und eine weitere Familie aus dem Kosovo abzuschieben.

Im Land Brandenburg wurden wieder Forderungen nach einer Härtefall-Kommission laut, die es in anderen Ländern - beispielsweise in Berlin - längst gibt. Zwar sprach sich auch die brandenburgische SPD auf ihrem Parteitag für eine solche Kommission aus, doch mehr als ein Lippenbekenntnis war dies nicht. Einen Streit mit Schönbohm, der eine Kommission kategorisch ablehnt, wollen die Genossen nicht riskieren.

Auch die Gubener Stadtverordneten verlangten eine Härtefall-Kommission. Am vergangenen Freitag traf die Antwort der CDU-Landtagsfraktion auf eine entsprechende Anfrage ein. Man halte eine solche Kommission für überflüssig, stand da zu lesen. Das habe nichts mit Unmenschlichkeit, sondern "mit unserem Glauben an den Rechtsstaat" zu tun. Probleme bringt diese Haltung für die christdemokratische Kandidatin im gegenwärtigen Gubener Bürgermeister-Wahlkampf, Monika Schulz. Sie setzt sich für den Verbleib der Bunjakus ein.

Und noch einer stellte sich jetzt an die Seite der kosovarischen Familie - der Cottbuser Generalsuperintendent und Vorsitzende des Brandenburger Aktionsbündnisses gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit, Rolf Wischnath (siehe auch nebenstehender Beitrag). Wischnath, der für sein demokratisches Engagement unlängst einen amerikanischen Kirchenpreis erhielt und am Samstag in Soest mit dem Medienpreis des Zentralinstituts Islam-Archiv Deutschland ausgezeichnet wurde, hat sich schon des öfteren mit Innenminister Schönbohm angelegt. Und viele Kirchenleute - nicht zuletzt in Guben - pflichten ihrem Generalsuperintendenten für den Sprengel Cottbus öffentlich bei. Wenn sich die Bunjakus entschließen sollten, Kirchenasyl zu beantragen, werden sie nicht vor verschlossenen Türen stehen.

Noch aber hofft die Familie verzweifelt auf eine andere Lösung. Möglich wäre beispielsweise ein Antrag an den Petitionsausschuss des brandenburgischen Landtags. Fest steht für Shefik Bunjaku nur eines: "Ins Kosovo zurück können wir auf keinen Fall."

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